Papst Franziskus besucht Bulgarien und Mazedonien

Aus historischen wie aktuellen Gründen ist die Papstreise in die beiden Balkanstaaten ökumenisch heikel – In Sofia wandelt Papst Franziskus auch inhaltlich auf den Spuren von Johannes XXIII.

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Foto: © Voventurestm (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Vatikanstadt-Sofia-Skopje, 15.12.18 (poi) Papst Franziskus wird im Mai 2019 eine apostolische Reise nach Bulgarien und Mazedonien unternehmen. Die Reise ist von großer ökumenischer Bedeutung, weil sie Gebiete der historisch-geographischen Gemengelage zwischen orthodoxen und katholischen Christen betrifft. In der offiziellen vatikanischen Ankündigung hieß es, der Papst reise auf Einladung “der höchsten staatlichen Autoritäten und der katholischen Kirche” in die beiden Balkanstaaten. Von einer orthodoxen Einladung war nicht die Rede.

Die Reise nach Bulgarien wird von 5. bis 7. Mai stattfinden. Außer der Hauptstadt Sofia wird Papst Franziskus nur Ravovski besuchen, die einzige bulgarische Stadt mit katholischer Bevölkerungsmehrheit. Die Stadtgemeinde wurde erst 1966 unter kommunistischer Herrschaft aus drei katholischen Dörfern gebildet (sie ist nach einem prominenten Revolutionär des 19. Jahrhunderts, Georgi Stojkov Rakovski, benannt). Die – lateinischen – Katholiken von Rakovski haben eine besondere Geschichte. Sie sind Nachfahren der Paulikianer, die im 16./17. Jahrhundert unter Billigung der osmanischen Behörden von den Franziskanern für die katholische Kirche gewonnen wurden. Die Paulikianer waren eine im späten 7. Jahrhundert in Anatolien entstandene häretische christliche Gemeinschaft, die das Alte Testament ablehnte und im Grunde alles verwarf, was für das orthodoxe und katholische Christentum kennzeichnend ist (von der Verehrung des Kreuzes bis zum Amtspriestertum und der Ikonenverehrung). Nach langen Kämpfen wurde ein Teil der Paulikianer von den oströmischen Kaisern Ende des 9. Jahrhunderts auf den Balkan verbannt, dabei handelte es sich um die Vorfahren der heutigen lateinischen Katholiken in Bulgarien. Bemerkenswert ist, dass in Zentralanatolien soziale und religiöse Vorstellungen der Paulikianer im Alevitentum wieder auflebten und bis heute fortbestehen.

Das relativ gute Verhältnis der bulgarischen Katholiken zu den osmanischen Behörden änderte sich, als 1688 der „Aufstand von Tschiprovci“ ausbrach. Auslöser war die Eroberung Belgrads durch habsburgische und verbündete Truppen 1688. In der Folge erhoben sich in der Hoffnung auf die Hilfe des in Wien residierenden Kaisers die bulgarischen Katholiken in Bulgarien. Sie wurden aber von den Osmanen und deren siebenbürgischen Verbündeten (Fürst Imre Thököly) geschlagen, worauf tausende auf habsburgisches Gebiet ins Banat flüchteten (wo es heute noch bulgarische Gemeinden gibt, die das Bulgarische mit lateinischen Buchstaben schreiben).

In Bulgarien gibt es auch Katholiken des byzantinischen Ritus. Sie gehen auf eine Unionsbewegung im 19. Jahrhundert zurück, als national gesinnte Bulgaren der geistlichen Herrschaft des griechisch geprägten Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel entgehen wollten. Der Führer dieser Unionsbewegung, Josif Sokolski, wurde 1861 in Rom zum Bischof geweiht, verschwand aber nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel unter mysteriösen Umständen. Die unierte Kirche unter den Bulgaren blieb aber bestehen, für sie wurden drei apostolische Vikariate in Konstantinopel, Saloniki und Adrianopel errichtet. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen ab 1912 (Erster Balkankrieg) über den Ersten Weltkrieg bis zum griechisch-türkischen Krieg (1918-1922) und den damit verbundenen Vertreibungen wurden diese Vikariate aufgelöst, es gibt aber bis heute ein Exarchat für die bulgarischen Katholiken des byzantinischen Ritus in Sofia.

Das Motto der Papstreise nach Bulgarien lautet „Frieden auf Erden“, eine Anspielung auf die gleichnamige („Pacem in terris“) Friedensenzyklika von Papst Johannes XXIII. Der Roncalli-Papst war von 1925 bis 1934 päpstlicher Vertreter in Bulgarien. Aus zwei Gründen war seine Mission sehr schwierig: Er hatte die Aufgabe, die unter schrecklichen Umständen aus der Türkei, aus Griechenland und Jugoslawien vertriebenen bulgarischen Katholiken des byzantinischen Ritus zu sammeln und er musste eine schwierige diplomatische Aufgabe bewältigen, als 1930 Zar Boris III. die savoyische Prinzessin Giovanna heiratete, was wegen der doppelten Eheschließung (katholisch/orthodox) und der Taufe der Kinder dramatische Diskussionen hervorrief. Schon damals suchte Roncalli den Kontakt zu den „geliebten orthodoxen Brüdern“, wie er sich ganz gegen den Brauch seiner Zeit ausdrückte.

Wenn Papst Franziskus dann am 7. Mai nach Skopje weiterreist, bleibt er weiter auf der Spur der bulgarischen Katholiken des byzantinischen Ritus des 19. Jahrhunderts. Denn die meisten Katholiken in Mazedonien gehören der unierten Kirche an, die in der Stadt Strumica ihren Schwerpunkt hat. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurde für die Katholiken des byzantinischen Ritus in Mazedonien ein eigenes Apostolisches Exarchat geschaffen, das aber derzeit in Personalunion vom lateinischen Bischof von Skopje, Kiro Stojanov, geleitet wird. Es gibt lateinische Katholiken vor allem in der Stadt Skopje, dabei handelt es sich zumeist um ethnische Albaner. Auch die Vorfahren von Mutter Teresa werden zu ihnen gerechnet, allerdings gibt es auch Hinweise, wonach sich der Vater von Mutter Teresa als Aromune betrachtete (die engstens mit den Rumänen verwandten Aromunen lebten – und leben teilweise heute noch – verstreut über die ganze südliche Balkanhalbinsel; zur Lebenszeit des Vaters von Mutter Teresa bemühte sich das offizielle Bukarest noch, die Aromunen politisch und kulturell zu sammeln).

In beiden Besuchsländern des Papstes – in Bulgarien wie in Mazedonien – bilden die Katholiken zahlenmäßig nur kleine Minderheiten. Beide Staaten sind orthodox geprägt. In Mazedonien gibt es die zusätzliche Schwierigkeit, dass die mazedonisch-orthodoxe Kirche unter tatkräftiger Mithilfe der Titokommunisten 1967 ihre Unabhängigkeit vom serbisch-orthodoxen Patriarchat erklärte. Diese mazedonisch-orthodoxe Kirche wird von der Weltorthodoxie nicht anerkannt (auch von Konstantinopel nicht, wo sich Patriarch Bartholomaios I. nach heftigen Demarchen aus Griechenland entschließen musste, erste Andeutungen über mögliche Gewährung einer Autokephalie an Skopje wieder zu streichen).

Aus historischen wie aktuellen Gründen ist die Papstreise in die beiden Balkanstaaten ökumenisch heikel, vor allem weil in der Orthodoxie Gerüchte kursieren, die Vorgänge in der Ukraine könnten dazu führen, dass die dortige neugegründete orthodoxe Kirche eine Union mit Rom eingeht.