Patriarch Kyrill: „Es gibt keinen Konflikt zwischen Konstantinopel und Moskau“

Es gehe nur um die Verteidigung der „unantastbaren kanonischen Normen“- „Wenn eine Kirche die Schismatiker verteidigt, hört sie auf, eine orthodoxe Kirche zu sein“

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Foto: © Patriarchate of Moscow (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Moskau, 31.10.18 (poi) „Es gibt keinerlei Konflikt zwischen Konstantinopel und Moskau“: Das sagte Patriarch Kyrill – wie aus jetzt veröffentlichten Mitschriften hervorgeht – am vergangenen Sonntag, 28. Oktober, bei der Agape nach der Göttlichen Liturgie in der kleinen Moskauer Kirche „Unserer Lieben Frau der Betrübten“ in der Bolschaja Ordynka – diese Kirche wird von Metropolit Hilarion (Alfejew), dem Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, betreut. Der Patriarch betonte, dass Moskau nur die “unantastbaren kanonischen Normen“ verteidige. Wenn eine Kirche sich auf die Seite der Schismatiker stelle und die Kanones (die kirchenrechtlichen Bestimmungen) verletze, dann höre sie auf, eine orthodoxe Kirche zu sein. Dass die russische Kirche nicht mehr des Patriarchen von Konstantinopel in der Liturgie gedenke, betreffe die Beziehungen zwischen den beiden Patriarchaten nicht.

Er habe einmal mit dem berühmten russisch-amerikanischen Theologen Alexandre Schmemann über den Primat Konstantinopels diskutiert, sagte Patriarch Kyrill. Schmemann habe damals gesagt, wenn die Orthodoxie Bedarf an einem Papst habe, sollte sie sich „an den wenden, der in dieser Sache mehr Erfahrung hat, nämlich an den Bischof von Rom“. Aber die Orthodoxie benötige keinen Papst, unterstrich der Moskauer Patriarch: „Wir sind überzeugt, dass die kollegiale Führung der Kirche die einzig richtige ist“. Wenn sich jemand in die Jurisdiktion einer anderen Kirche einmische, dann verletze er alle Kanones. Die einzige mögliche Antwort sei die ruhige Haltung Moskau: „Wir können nicht mehr mit euch in Gemeinschaft sein, ihr habt die Kanones verletzt, ihr habt euch von der Orthodoxie entfernt. Lasst Gott euren Richter sein“.

Heute sei ein „historischer Augenblick“, vergleichbar mit dem Konzil von Ferrara-Florenz (1438-45) und der damals beschlossenen Kirchenunion, so Kyrill I. Damals habe Metropolit Isidor von Kiew, Moskau und ganz Russland die Orthodoxie verraten, er habe sich auf dem Gipfel der Macht gefühlt und gemeint, er könne alle dem Sitz von Rom unterwerfen. Aber er sei vom Großfürsten, vom Klerus und vom Volk verjagt worden. Wörtlich meinte der Patriarch: „Dieser Widerstand unseres Volkes, unseres Klerus, unseres Episkopats gegenüber allen Tricks, aller Häresie und allem Schisma ist eine Garantie der Bewahrung der Orthodoxie im Weltmaßstab, eine Garantie der Bewahrung unserer Einheit“.

Im Hinblick auf die Situation in der Ukraine sagte der Moskauer Patriarch, dass dieses Land „unter dem Einfluss äußerer Kräfte zu einem Ort der Zwietracht“ geworden sei. Zu viele „geopolitische und finanzielle Mächte“ seien derzeit in der Ukraine am Werk, um den „historischen Raum der Heiligen Rus“ in Stücke zu reißen. Daher sei er den ukrainischen Bischöfen besonders dankbar, dass sie unter schwierigen Bedingungen „treu und geeint“ geblieben seien und die „historische Wahrheit darlegen“.

Wie Kyrill I. betonte, leiste die orthodoxe Kirche in der Ukraine heute das, was das ganze Moskauer Patriarchat in der sowjetischen Epoche tun musste: „Die Ideologie war gegen uns, aber wir haben die Wahrheit Christi verkündet. Wir haben es getan, ohne die Machthaber zu provozieren, aber wir haben es getan“. Der Patriarch unterstrich, dass die Einheit der Moskauer Kirche nichts mit einem „imperialen System“ zu tun habe. Es sei vielmehr die sichtbare Bestätigung der spirituellen, intellektuellen und kulturellen Einheit der Völker der historischen Rus. Die Rus sei immer so genannt worden, ohne Unterschiede zwischen der Ukraine, Belarus und Russland zu machen: „Wir sind alle Erben der Russij, wie die Oströmer unsere Vorfahren nannten, was immer man heute sagen mag, welche absurden pseudohistorischen Theorien man auch immer den Leuten aufdrängen möchte“. Wörtlich fügte der Patriarch hinzu: „Wir sind ein Volk, ich schrecke nicht davor zurück, das zu sagen. Wir haben verschiedene Dialekte, wir haben unterschiedliche kulturelle Besonderheiten, aber wir sind ein Volk, das aus der Taufe in Kiew hervorgegangen ist“.

 

Ukraine: Moskauer Kirche wird überleben

Die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats werde trotz des Drucks von Seiten des Ökumenischen Patriarchats und der ukrainischen Behörden überleben, betonte Metropolit Pawel (Lebid) von Wyschgorod und Tschernobyl, der stellvertretende Leiter des Kiewer Höhlenklosters, in Moskau. Wörtlich sagte der Metropolit: „Es ist nicht alles so schlimm wie es aussieht. Alle Kräfte der Hölle sind gegen uns, aber wir sind mit Gott und wir haben nichts zu fürchten. Wir sind eine kanonische Kirche, eine heilige konziliare Kirche, wir sind eins mit allen orthodoxen Ortskirchen. Wir hoffen, dass wir dank Gottes Barmherzigkeit überleben werden“.

Die Drohungen ukrainischer Nationalisten gegen das Kloster würden das Interesse an der kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche verstärken, betonte Metropolit Pawel: „Je mehr wir bedrängt werden, umso mehr Pilger kommen“. Die Leute würden verstehen, was wahr ist und was nicht: „Nur die Blinden, die nie gebetet haben, sehen das nicht. Sie brauchen den teuflischen Stolz“.

Die Mönche des Höhlenklosters seien entschlossen, mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche und ihrem Metropoliten Onufrij auszuharren, sagte der stellvertretende Leiter des Höhlenklosters: „Es gibt keinen Mangel an Standfestigkeit unter unseren Leuten. Schließlich widerstehen sie seit 25 Jahren den Nationalisten“. Das Höhlenkloster bedürfe keiner physischen Verteidigung: „Unsere Kraft besteht im Gebet, nicht in Waffen“.

Die neuen Titel des selbsternannten „Patriarchen“ Filaret – „heiliger Archimandrit des Kiewer Höhlenklosters und der Lawra von Potschajew“ – machen Metropolit Pawel keine Sorgen. Man müsse sich vor Augen halten, dass das sogenannte „Kiewer Patriarchat“ nicht wirklich existiere, sondern eine „politische Partei“ sei.

Der stellvertretende Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Erzpriester Nikolaj Balatschow, sagte im Gespräch mit „Rossijskaja Gazeta“, dass die Lawra von Potschajew und der untere Teil des Kiewer Höhlenklosters (mit 75 Objekten) auf Grund von Entscheidungen des ukrainischen Ministerrats aus den Jahren 2003 und 2011 auf die Dauer von 49 Jahren der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats überlassen wurden.

Metropolit Pawel äußerte in Moskau in einem TV-Interview Zweifel, dass es gelingen werde, in der Ukraine eine Kirche zu bilden, der Konstantinopel die Autokephalie zuerkennen könnte. „Patriarch“ Filaret habe deutlich gemacht, dass eine solche Kirche den Namen seines „Patriarchats“ tragen müsse und dass das Statut der neuen Kirche identisch mit dem seiner Kirche zu sein habe. Daher werde es keine „Union“ der bisherigen schismatischen Gruppen in der Ukraine geben. Außerdem habe Konstantinopel zu verstehen gegeben, dass die beiden schismatischen Führungspersönlichkeiten – „Patriarch“ Filaret (Denisenko) und Metropolit Makarij (Maletytsch) – nicht an der Spitze einer künftigen Ortskirche stehen sollen. Von Episkopat und Klerus der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats werde sich niemand der neuen Kirche anschließen. Wenn es zu einer Änderung der politischen Kräfteverhältnisse in der Ukraine komme, würden sich die Befürworter der Autokephalie „still zurückziehen“, so Metropolit Pawel.