
Moskau-Kiew, 27.07.18 (poi) Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hat seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die Feiern zum 1.030-Jahr-Jubiläum der „Taufe der Kiewer Rus“ bei der „Heilung des Haders“ in der Ukraine helfen werden. Wörtlich sagte der Patriarch vor dem Obersten Rat der russisch-orthodoxen Kirche: „Hoffen wir, dass die Feiern dazu beitragen, Spaltungen, Gegensätze und Schismen auf dem Gebiet der Ukraine zu überwinden“.
Die Feiern zum Gedenken an den Heiligen „Apostel-Gleichen“ Großfürsten Wladimir würden überall in der russisch-orthodoxen Kirche stattfinden, auch in der Diaspora, kündigte Patriarch Kyrill an. Die Botschaft des Evangeliums habe Herz und Seele des russischen Volkes zutiefst berührt und umgewandelt, unterstrich der Patriarch. Diese Botschaft sei die Grundlage einer tiefen spirituellen Tradition, die die Entwicklung von Kultur, Bildung und Wissenschaft ermöglicht habe. Dank ihrer Verankerung im Christentum habe die russische Nation die Katastrophen ihrer Geschichte überwinden können.
Am Dienstag hatte der Pressesprecher des Patriarchen, P. Aleksander Wolkow, vor Journalisten erklärt, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche sei sicher, dass er in der Zukunft bei den Feiern zum Gedenken der „Taufe der Rus“ wieder Kiew besuchen und mit Millionen ukrainischer orthodoxer Christen beten können werde. Wörtlich meinte P. Wolkow: „Der Patriarch ist zutiefst betrübt, dass es in den letzten Jahren für ihn nicht möglich war, bei diesen Feiern in Kiew zu sein und mit den Gläubigen der ukrainisch-orthodoxen Kirche zu beten. Aber er vertraut darauf, dass das wie ein ‚Wind über den Dächern‘ vorbeigehen wird und der Zeitpunkt wieder kommt, an dem der russisch-orthodoxe Patriarch zum Fest des Heiligen Wladimir nach Kiew kommen kann“. Schließlich habe Kyrill I. viele Jahre an den Feiern der „Taufe der Rus“ in Kiew – dem „Herzen unserer Orthodoxie“ – teilgenommen.
Im Vorfeld der 1.030-Jahr-Feiern hatte im Kiewer Höhlenkloster eine internationale wissenschaftliche und spirituelle Konferenz stattgefunden, die unter dem Titel „Kiewer Höhlenkloster – Athos – Jerusalem: Einheit über die Jahrhunderte hinweg“ dem 30. Jahrestag der Wiederaufnahme des monastischen Lebens in dem Kloster nach dem Ende der kommunistischen Diktatur gewidmet war. Mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – vor allem aus den Bereichen Theologie, Geschichte, Kultur – aus 15 Ländern (darunter auch aus Österreich) nahmen an der Konferenz teil. Eröffnet wurde die Konferenz von Metropolit Onufrij von Kiew. Er erinnerte u.a. daran, dass es – abgesehen vom Heiligen Land und vom Berg Athos – keinen Ort gebe, an dem so viele Reliquien orthodoxer Heiliger versammelt seien wie im Kiewer Höhlenkloster. Deshalb sei in früherer Zeit Kiew das „zweite Jerusalem“ genannt worden. Das Höhlenkloster werde zu Recht auch als „der russische Athos“ bezeichnet.
Der Metropolit hob die Bedeutung des Gründers des Höhlenklosters, des Heiligen Antonij, hervor, der als „Vater des Mönchtums der ganzen Rus“ gelte. Der Heilige wurde im Jahr 983 geboren, schon in Jugendjahren empfing er auf dem Athos beim Kloster Esfigmenou die Mönchsweihe auf den Namen Antonios, an der Stelle, wo noch heute seine Einsiedelei gezeigt wird. Von seinem dortigen Abt wurde Antonios in die neu bekehrte Rus entsandt, wo er zum Urheber des monastischen Lebens werden sollte. Um 1013 ließ er sich bei Kiew nahe dem Dorfe Berestowo am Hochufer des Dnjepr in einer Höhle nieder, die einst der Heilige Hilarion gegraben hatte. Um Antonios sammelte sich bald ein kleines Kloster. Als zwölf Jünger versammelt waren, wurde eine größere Höhle gegraben und in ihr eine Kirche nebst Zellen für die Mönche eingerichtet. Antonios setzte Barlaam als Abt ein und zog sich selber in eine andere Höhle zurück, wo er jedoch erneut zum Mittelpunkt einer Mönchsgemeinschaft wurde. So kam es zur Ausbildung der sogenannten „Nahen“ und „Fernen“ Höhlen des Klosters. Der Kiewer Großfürst Isjaslaw (gest. 1078) schenkte der auf mehr als 100 Köpfe angewachsenen Bruderschaft den ganzen Berg, auf dem alsbald eine große Kirche zu Ehren der Entschlafung der Gottesmutter nebst Wohnungen für die Mönche errichtet werden konnte. Trotzdem blieb die Benennung als „Höhlen-Kloster“ erhalten. Antonios selbst weilte auf Anordnung des Fürsten 1069-1072 auf dem Hügel von Boldina bei Tschernigow, wo er das dortige Kloster errichtete. Er starb am 7. Mai 1073 nach seiner Rückkehr in das Kiewer Kloster im Alter von 90 Jahren.
Als „zweiten Athos“ und „neues Gethsemani“ würdigte auch Abt Ewlogy vom Athos-Kloster St. Panteleimon das Kiewer Höhlenkloster. Das Kloster habe als „Zentrum der theologischen Wissenschaft, der spirituellen Erziehung, der umfangreichen Publikationstätigkeit“ immer die hohe Aufgabe der „spirituellen Erleuchtung der Völker der Rus“ wahrgenommen – auch dank der engen Beziehungen zu den wichtigsten Zentren der weltweiten Orthodoxie.