Moskau, 23.11.17 (poi) Die Erinnerung an die tragischen Ereignisse der Oktober-Revolution vor 100 Jahren sollte die Menschen dazu veranlassen, die Ideen über „Revolution, Bürgerkrieg, Aufstände und Repressionen und überhaupt alles, was das Leben der Menschen bedroht“, kategorisch zurückzuweisen. Dies betonte der Moskauer Patriarch Kyrill I. am Donnerstag bei der Eröffnung des Treffens des Obersten Rates der russisch-orthodoxen Kirche, an das sich von 29. November bis 4. Dezember die alle vier Jahre fällige Vollversammlung der russisch-orthodoxen Kirche anschließt. Beide Treffen stehen im Zeichen des Gedenkens an die vor 100 Jahren erfolgte Wiedererrichtung des Moskauer Patriarchats nach 300 Jahren der „Synodalen Epoche“, in der die russische Kirche vom „Heiligsten Dirigierenden Synod“ und einem Staatsbeamten, dem „Oberprokuror“ des Synods, geleitet wurde.
Patriarch Kyrill erinnerte daran, dass am vergangenen Samstag im Donskoj-Kloster der Wahl des – vor einigen Jahren heilig gesprochenen – PatriarchenTichon am 18. November 1917 gedacht wurde. Diese Wahl durch das Russische Landeskonzil war im Donskoj-Kloster erfolgt; wenige Tage zuvor – am 13. November 1917 (am 31. Oktober nach dem Julianischen Kalender) – war in Zarskoje Selo das erste Opfer der kommunistischen Kirchenverfolgung, Erzpriester Ioann Kotschurow, von bolschewistischen Kämpfern ermordet worden. Von da an sei das Blut vieler Märtyrer geflossen, die heute als Heilige verehrt werden, sagte der Patriarch. Kyrill I. fügte an, er halte es für wichtig, dass im Zusammenhang mit dem 100. Jahrestag der Oktober-Revolution überall im Land Denkmäler für die Opfer errichtet worden seien – so der „Garten des Gedenkens“ im Bereich des einstigen Schießplatzes Butowo und die „Klagemauer“ unweit des Sacharow Prospekts. In diesem Zusammenhang bedauerte der Patriarch, dass dem „Garten des Gedenkens“ in Butowo, wo unzählige Opfer der stalinistischen Repression ermordet wurden, „zu wenig mediale Aufmerksamkeit“ zuteil wurde. Freilich gehe es in erster Linie darum, dass an den Gedenkstätten der Opfer im Gebet gedacht werde.
Nach dem Obersten Rat tagt auch der Heilige Synod des Moskauer Patriarchats. Dann kommt die Vollversammlung des russisch-orthodoxen Episkopats, 377 Bischöfe aus 22 Staaten werden erwartet. Wie der stellvertretende Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Erzpriester Nikolai Balaschow, bei einer Pressekonferenz in Moskau mitteilte, werden sich die Bischöfe u.a. mit der Weiterarbeit an den Ergebnissen des Treffens zwischen Patriarch Kyrill und Papst Franziskus am 12. Februar 2016, aber auch mit dem „Konzil von Kreta“ im Sommer 2016 befassen. Balaschow bezeichnete es als „bedauerlich“, dass das „Konzil von Kreta“ aus „einer Reihe von Gründen“ nicht zu einer Panorthodoxen Synode geworden sei. Die Gemeinschaft unter den orthodoxen Kirchen – „auch zwischen jenen, die am ‚Konzil von Kreta‘ teilgenommen haben und jenen, die fern geblieben sind“ – gehe aber weiter. Ein gutes Zeichen dafür sei die Zusage „der Mehrheit der Oberhäupter der autokephalen Kirchen“, an den Feiern zum 100. Jahrestag der Wiedererrichtung des Moskauer Patriarchats am 4. Dezember teilzunehmen.
Ausführlich soll von den Bischöfen auch die Christenverfolgung in nahöstlichen und afrikanischen Ländern behandelt werden, aber auch die zunehmende soziale Ungleichheit in der Welt von heute. Ebenso werden die russischen Bischöfe sich mit den Problemen der nur zivil geschlossenen Ehen befassen. Schließlich wird auch die Frage der Authentizität der Gebeine der 1918 ermordeten russischen Kaiserfamilie behandelt werden.
Am 4. Dezember – dem 100. Jahrestag der Amtseinführung von Patriarch Tichon – werden die russischen Bischöfe in der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau zunächst eine Mahnwache halten. Die Göttliche Liturgie wird Patriarch Kyrill in Konzelebration mit den anwesenden Oberhäuptern anderer autokephaler orthodoxer Kirchen feiern.