
Nicosia, 26.06.19 (poi) Die drei orthodoxen Patriarchen Theodoros II. (Alexandrien), Youhanna X. (Antiochien) und Theophilos III. (Jerusalem) werden auf Einladung des zypriotischen Erzbischofs Chrysostomos II. „demnächst“ wieder in Nicosia zusammentreffen, um ihre Suche nach einer Lösung für den Ukraine-Konflikt zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel fortzusetzen. Dies geht laut griechischer Website „Romfea“ aus Angaben von Patriarch Theodoros II. hervor. Eine Lösung sei möglich, so Theodoros II.: „Wir müssen einfach nur unsere persönlichen Anliegen beiseitelassen und das Interesse der Kirche in den Mittelpunkt stellen“.
Am 18. April hatte eine erste Runde des Patriarchentreffens in Nicosia stattgefunden. Erzbischof Chrysostomos II. war dabei ausdrücklich ermuntert worden, seine Vermittlungsbemühungen zu intensivieren. Der zypriotische Erzbischof traf daraufhin im Mai mit dem Belgrader Patriarchen Irinej, mit dem Sofioter Patriarchen Neofit und mit dem Athener Erzbischof Hieronymos zusammen. „Romfea“ zitierte Theodoros II. mit der Bemerkung: „Der Erzbischof von Zypern ist ein weiser Hierarch, er hat Güte und liebt die Kirche“. Laut dem Patriarchen von Alexandrien wird sich Erzbischof Chrysostomos II. bemühen, den Ökumenischen Patriarchen von der Notwendigkeit eines Treffens mit dem Moskauer Patriarchen zu überzeugen. Danach könne es zu einem „informellen Treffen“ der Oberhäupter aller autokephalen Kirchen kommen, um eine allgemein akzeptable Lösung zu erarbeiten. Theodoros II. deutete bei früherer Gelegenheit an, dass er sich unter gewissen Bedingungen eine Zusammenführung der orthodoxen Jurisdiktionen in der Ukraine vorstellen könnte; eine solchermaßen geeinte Kirche könne dann von Konstantinopel und Moskau in Übereinstimmung mit allen orthodoxen Kirchen mit der Autokephalie ausgestattet werden. Der Patriarch von Alexandrien ist überzeugt: „Unser Zeitalter hat so viele Probleme, wir können es uns als orthodoxe Kirche nicht leisten, gespalten zu sein“.
In den letzten Tagen ist eine Reihe von bemerkenswerten Stellungnahmen zypriotischer Bischöfe zur Situation in der Ukraine veröffentlicht worden. So erklärte der Metropolit von Tamassos, Isaias (Kykkotis), der in Kiew an den Feiern zum Namenstag von Metropolit Onufrij (Berezowskij) teilnahm (dabei wurde auch des 5. Jahrestags der Amtsübernahme des Oberhaupts der ukrainisch-orthodoxen Kirche gedacht), seine Kirche habe eine Unterschriftensammlung gestartet, um beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ein Verfahren zur Wahrung der Rechte der ukrainisch-orthodoxen Kirche (des Moskauer Patriarchats) zu starten. In einem Appell an Präsident Wladimir Selenskij und die Kiewer Regierung stellte Metropolit Isaias fest, tausende orthodoxe ukrainische Bürger seien aus ihren Gotteshäusern vertrieben worden, „sie erfahren Verfolgung und Gewalt durch ihre Mitbürger“. Die orthodoxen Christen in aller Welt – „und vor allem die europäischen orthodoxen Völker“ – seien überaus besorgt über die Verletzung der religiösen Grundrechte, die in der Ukraine vor sich gehe. Mehr als 200 ukrainisch-orthodoxe Pfarrgemeinden seien seit Jänner in die neugegründete „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ hineingezwungen worden, erklärte der zypriotische Metropolit. In einem Staat wie der Ukraine, der sich als demokratisch betrachte, dürfe es nicht zu solchen Vorgängen kommen. Metropolit Isaias appellierte an Präsident Selenskij, „dieses Unrecht zu korrigieren“. Alle Gotteshäuser müssten an die legitimen Eigentümer zurückgegeben werden. Jeder Bürger habe das Recht, „im Geist der Freiheit und des Respekts vor den Menschenrechten Gott zu dienen, ohne dass sich andere einmischen“.
Der Metropolit von Limassol, Athanasios (Nikolaou), übte in einem großen Interview mit der Website der Informationsabteilung der ukrainisch-orthodoxen Kirche scharfe Kritik an der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“. Mit dem Heiligen Synod der Kirche von Zypern habe er Zweifel an der Gültigkeit der Weihen und Sakramente, die von „exkommunizierten und mit Anathema belegten“ Hierarchen (wie dem Kiewer „Ehrenpatriarchen“ Filaret Denisenko) gespendet wurden. Es sei richtig, dass jede Sünde auf Grund von „Reue und Bekenntnis“ vergeben werden könne. Davon sei leider bei Filaret nicht die Rede. Vom orthodoxen kirchenrechtlichen Standpunkt hätten viele Bischöfe der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ keine bischöfliche Würde und Vollmacht, das gelte sowohl für die früheren Anhänger Filarets als auch jene von Makarij (Maletytsch).“Sie sind als sogenannte ‚Selbstgeweihte‘ zu betrachten“, so der Metropolit von Limassol. Auf Grund des Prinzips der „Oikonomia“ könnte man Bischöfe, die zwar exkommuniziert wurden, aber die Weihe zuvor durch kanonisch anerkannte Hierarchen erhalten hatten, als „geweiht“ ansehen, aber die Grundvoraussetzung sei die Reue „und von der sehen wir nichts“.
In dem Interview erläuterte Metropolit Athanasios auch, warum er das Kommunique der Kirche von Zypern zur Ukraine-Frage nicht unterzeichnet habe. Denn den ersten Satz, wonach jede Nation, sobald sie die Unabhängigkeit erreiche, auch das Recht habe, die kirchliche Autokephalie zu verlangen, könne er nicht akzeptieren. Wenn man dieses Prinzip „für jeden Staat eine eigene Kirche“ anwende, dann müsste etwa das Patriarch von Antiochien in eine Vielzahl von autokephalen Kirchen (für den Libanon, Syrien usw.) aufgeteilt werden. Ähnliches gelte für das Patriarchat von Alexandrien, das für ganz Afrika zuständig ist. Jedem unabhängigen Staat eine autokephale orthodoxe Kirche zu geben, sei „die Straße in den Abgrund“. Wenn man nicht anerkannte kirchliche Strukturen – wie etwa in Nordmazedonien oder in Montenegro – mit der Autokephalie ausstatte, dann führe das zu „ernsthafter Unordnung“.
Metropolit Onufrij sei „das kanonische Oberhaupt“ der orthodoxen Kirche in der Ukraine, unterstrich Metropolit Athanasios. Daher appelliere er an alle „orthodoxen Brüder und Schwestern in der Ukraine, unter dem Omophorion von Metropolit Onufrij zu bleiben, ihre Kirche zu unterstützen und dem orthodoxen Glauben treu zu bleiben“. Die Gläubigen in der Ukraine lebten in einer Zeit großer Versuchungen. Umso notwendiger seien Vergebungsbereitschaft und Gebet. Er bewundere, wie sich Metropolit Onufrij in dieser Krise verhalte: „Mit großer Ruhe, großer Würde, mit wenigen Erklärungen und viel Gebet“. Abschließend meinte der zypriotische Metropolit, er wolle dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios weder Vorwürfe machen noch ihn aus der Fassung bringen, „aber wir respektieren und lieben auch Patriarch Kyrill von Moskau“. „Wir sind alle Brüder, wir sind alle orthodoxen Christen“, unterstrich der Metropolit. Was in der Ukraine geschehen sei, stelle ein Versuchung dar, um sie zu überwinden, bedürfe es des Gebets. Eine Lösung der Ukraine-Frage könne es nur im Geist der Gottesliebe und Nächstenliebe geben: „Jeden Tag beten wir: Dein Wille geschehe. Das müssen wir suchen und das muss das Ziel unseres Lebens sein. Eine solche Haltung gilt umso mehr auf der Ebene der Kirchenoberhäupter“.