Polen: Erstmals wurde orthodoxe Kirche dem Heiligen Lukas von Simferopol geweiht

Der Chirurg und Bischof, der jahrzehntelang in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Regime stand, wird überall in der orthodoxen Welt als einer der großen Heiligen des 20. Jahrhunderts verehrt

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Foto: © (Quelle: Wikimedia; Lizenz public domain)

Warschau, 11.07.19 (poi) In Polen wurde erstmals eine neuerbaute orthodoxe Kirche dem Heiligen Lukas von der Krim, dem berühmten „gesegneten Chirurgen“, geweiht. Der Heilige Lukas (bürgerlicher Name: Walentin F. Woino-Jassenetskij, 1877-1961) war Chirurg und Bischof. Seine 1934 publizierte Schrift über die chirurgische Behandlung eiternder Wunden wurde zu einem medizinischen Klassiker. Er zählte zu jenen orthodoxen Bischöfen, die den Verfolgungsmaßnahmen des kommunistischen Staatsatheismus in der Sowjetunion energischen Widerstand entgegensetzten. Heute wird er überall in der orthodoxen Welt als einer der großen Heiligen des 20. Jahrhunderts verehrt. Das auf seinen Namen geweihte hölzerne Kirchlein in Nordostpolen steht in der Ortschaft Laznie am Rande des Knyszyn-Waldes. In dem Kirchlein wird auch der 55 Ortsbewohner gedacht, die von den Deutschen 1943 ermordet wurden. Den Weihegottesdienst zelebrierten Bischof Jakub (Kostiuczuk) von Bialystok und Bischof Andrzej (Borkowski) von Suprasl. Bereits in der Nacht vor dem Weihegottesdienst hatten sich zahlreiche Gläubige in Laznie versammelt. Als am Ende der nächtlichen Vigil der langerwartete Regen fiel und sich am Himmel ein Regenbogen – im Ersten Testament das „Zeichen des Bundes“ zwischen Gott und den Menschen – zeigte, kam Jubel auf, wie es im Bericht des orthodoxen Nachrichtendienstes hieß.

Walentin F. Woino-Jassenetskij wurde 1877 in der Ukraine in einer Adelsfamilie polnischer Herkunft geboren. Er studierte Medizin und begann 1903 als Landarzt in einem Spital am Baikalsee zu arbeiten. Hier heiratete er, der Verbindung entsprossen vier Kinder. Im Revolutionsjahr 1917 wurde er Chefarzt eines großen Krankenhauses in Taschkent, wo er zudem als Professor für Chirurgie an der Universität lehrte. Nach der bolschewistischen Machtergreifung nahm er oft an den Podiumsdiskussionen des „Verbandes der kämpferischen Gottlosen“ teil, wobei er offen und klug gegen den atheistischen Materialismus Stellung bezog. Damals empfing er auch die Priesterweihe und zelebrierte jeden Sonntag in der Kathedrale von Taschkent.

Als 1923 das Schisma der vom KP-Regime unterstützten sogenannten „Lebendigen Kirche“ die russische Kirche in Bedrängnis brachte, musste der damalige Erzbischof von Taschkent fliehen, wobei er die Verwaltung seiner Eparchie Vater Walentin anvertraute. Da Walentins Frau schon einige Jahre vorher an Tuberkulose gestorben war und er seine Kinder in zuverlässige Obhut gegeben hatte, wurde er im selben Jahr unter dem Namen Lukas Mönch; im Mai 1923 wurde er von zwei exilierten Bischöfen im Gebiet von Samarkand in aller Heimlichkeit zum Bischof geweiht.

Zehn Tage nach seiner Rückkehr nach Taschkent und seiner ersten Liturgie als Hierarch wurde er verhaftet und zu zwei Jahren Verbannung in Sibirien verurteilt, in Turuchansk. Auch dort war er als Arzt tätig und pflegte die Kranken trotz Verbots durch die „Organe“ vor der Operation zu segnen und für sie zu beten. Deswegen wurde er in am Ufer des Arktischen Meeres gelegene Weiler verbannt. 1926 konnte er nach Taschkent  zurückkehren, 1930 wurde er neuerlich verhaftet und landete in Archangelsk, wo er wieder als Chirurg im örtlichen Krankenhaus diente. Zu neuen Verhören nach Moskau beordert, machte man ihm verlockende Angebote zur Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeiten über die Lokalanästhesie und die chirurgische Behandlung eiternder Wunden, unter der Voraussetzung, dass das Priestertum aufgebe, was er entschieden ablehnte. 1933 entlassen, kehrte er nach Taschkent zurück, wo er in einem kleinen Spital arbeiten konnte.

Während seiner Arbeit in Taschkent wurde er von einer Tropenkrankheit befallen, die eine Ablösung der Augennetzhaut bewirkte. Dennoch setzte er seine chirurgische Tätigkeit bis 1937 fort. Während der stalinistischen „Großen Säuberung“ („tschistka“) 1936/38 wurde er gemeinsam mit anderen Klerikern wieder verhaftet und endlosen Verhören unterworfen, bis er ein „Geständnis“ unterschrieb, das seine neuerliche Verbannung nach Sibirien, diesmal nach Krasnojarsk, zur Folge hatte. Auch dort wirkte er wieder als Chirurg und vermochte auch seine Forschungen in Tomsk fortzusetzen. Nach dem deutschen Überfall 1941 wurde er zum Chefarzt des Spitals von Krasnojarsk ernannt, gleichzeitig diente er als Bischof der Region, wo sich die Kommunisten gerühmt hatten, alle Kirchen außer Betrieb gesetzt zu haben. 1943 nahm er am Moskauer Konzil teil, das Metropolit Sergij zum Patriarchen wählte, und wurde zum Mitglied des ständigen Heiligen Synods ernannt. Da die antireligiöse Verfolgung im Krieg abgeflaut war, konnte er in Krasnojarsk ein Programm geistiger Erneuerung beginnen, er hielt mehr als 1.250 Predigten, wovon 700 aufgezeichnet und in Buchform herausgegeben wurden. Als das Spital von Krasnojarsk 1944 nach Tambow ins europäische Russland verlegt wurde, zog er in diese Stadt und übernahm auch die Leitung der orthodoxen Eparchie. Gleichzeitig arbeitete er an verschiedenen medizinischen und religiösen Publikationen und verfasste eine Apologie des Christentums gegen den atheistischen Materialismus.

1946 wurde er auf die Krim versetzt und zum Erzbischof von Simferopol ernannt. Wegen einer Herzkrankheit und dem schwindenden Augenlicht musste er nun mit der chirurgischen Tätigkeit aufhören, blieb aber weiterhin aktiv, indem er unentgeltliche Konsultationen gab und die anderen Ärzte der Gegend beriet. 1956 erblindete Erzbischof Lukas vollständig, zelebrierte aber weiterhin die Göttliche Liturgie, predigte und leitete seine Eparchie, wobei er sich mutig den Kirchenschließungen und anderen Verfolgungsmaßnahmen entgegenstellte. Am 11. Juni (29. Mai) 1961 starb der Erzbischof und wurde im Beisein des ganzen Klerus und einer großen Volksmenge in Simferopol bestattet. Sein Grab wurde bald zur Pilgerstätte. Der Fürbitte des mittlerweile heilig gesprochenen Erzbischofs werden viele medizinisch nicht erklärbare Heilungen zugeschrieben.