„Pro Oriente“: Ökumenische Erfolge und entschlossene Schritte in die Zukunft (2)

„Strahlkraft des Glaubens“

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Foto: © Thomas Ledl (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International )

„Pro Oriente“-Generalsekretär Bernd Mussinghoff stellte in Linz die drei Linien des ökumenischen Dialogs der Stiftung vor: orthodox-katholischer Dialog, Dialog mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen, Forum der Kirchen der syrischen Tradition. Dazu komme die in den 1990er-Jahren ins Leben gerufene Friedensinitiative der Südosteuropa-Historikerkommission, die sich zunächst auf die Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien konzentriert hatte. Mittlerweile gehören ihr aber auch Forscherinnen und Forscher aus Rumänien, Bulgarien, Griechenland und der Türkei an. In mitunter mühevollem Ringen werde in der Kommission versucht, einen Dialog über die unterschiedlichen Geschichtsnarrative in Gang zu bringen und wachsendes wechselseitiges Vertrauen aufzubauen. Mehrere Mitglieder der Kommission arbeiten auch in den jeweiligen nationalen Schulbuchkommissionen mit und könnten dort Standards einfordern, die „ein Nebeneinander verschiedener historischer Narrative erlauben, ohne dass daraus ein Gegeneinander werden muss“. Mussinghoff verwies auf die im November des Vorjahrs in Wien veranstaltete, international und interdisziplinär angelegte Konferenz „Von der Spannung zur Versöhnung“. Dabei sei auch zu Tage getreten, welche friedensfördernden Potenziale in den unterschiedlichen religiösen Traditionen vorhanden sind.

Im Hinblick auf den orthodox-katholischen Dialog erinnerte der „Pro Oriente“-Generalsekretär daran, dass die Stiftung an der Wegbereitung für den offiziellen Dialog nach 900 Jahren der theologischen, „aber vielleicht noch stärker kulturellen“ Entfremdung einen „vermutlich nicht unerheblichen“ Anteil hatte. Seit der offizielle Dialog infolge des Ukraine-Konflikts ohne russisch-orthodoxe Vertreter läuft, habe sich die Frage gestellt, was in dieser Situation der spezifische Beitrag von „Pro Oriente“ für den katholisch-orthodoxen Dialog sein könne. Mit der Gründung einer neuen Dialogkommission im Oktober 2018 sei ein mutiger Schritt unternommen worden, um einerseits die bereits erzielten Dialogergebnisse an den akademischen Nachwuchs zu vermitteln und andererseits durch die Einbeziehung erfahrener Expertinnen und Experten den offiziellen Dialog auch weiterhin zu beflügeln. An der ersten Sitzung der neuen Kommission nahmen Vertreter sowohl aus Moskau als auch aus Konstantinopel teil, was vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts nicht selbstverständlich gewesen sei und auch den Vertreter des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen beeindruckt habe. Neben der Vermittlung der Dialogergebnisse an die jüngere Generation habe sich die neue Kommission auch die Vernetzung der nationalen und regionalen Dialoginitiativen vorgenommen, aber auch das schwierige Thema der „Heilung der Erinnerungen“ solle bearbeitet werden. Anfang November wird die nächste Sitzung der neuen Kommission stattfinden.

Im Bereich des Dialogs mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen (die sich in Folge des Konzils von Chalcedon im Jahr 451 von der übrigen Christenheit getrennt hatten) habe „Pro Oriente“ seinen wichtigsten Durchbruch erzielen können, erinnerte Mussinghoff im Hinblick auf die 1971 entwickelte „Wiener Christologische Formel“. Der „Pro Oriente“-Generalsekretär zeigte beim Linzer Festakt eine Kopie des Originals dieser Formel, die der damals junge koptisch-orthodoxe Bischof Schenuda (der spätere Papst-Patriarch von Alexandrien und ganz Afrika) unter Zitierung eines Textes aus der koptischen Liturgie entworfen hatte. Mit dem Text sei eine Formulierung gefunden worden, mit deren Hilfe die Auseinandersetzungen des 5. Jahrhunderts über das Verhältnis des wahren Menschseins Jesu und seines wahren Gottseins hätten überwunden werden können. Wörtlich heißt es in der „Wiener Christologischen Formel“: „Seine Menschheit ist eins mit seiner Gottheit, ohne Vermischung, ohne Vermengung, ohne Teilung, ohne Trennung. Im gemeinsamen Glauben an den einen Herrn Jesus Christus betrachten wir sein Geheimnis als unausschöpflich und unaussprechbar, für den menschlichen Geist weder voll zu verstehen noch auszudrücken“.

Dieser in Wien erzielte Durchbruch – Anerkennung des gemeinsamen Glaubens trotz unterschiedlicher Terminologie – habe dann zahlreiche weitere ökumenische Fortschritte ermöglicht, erinnerte Mussinghoff. So sei 2003 eine Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen katholischer Kirche und orientalisch-orthodoxen Kirchen begründet worden. „Pro Oriente“ habe dann 2015 eine Kommission für die Begegnung zwischen orientalisch-orthodoxen Kirchen und katholischer Kirche geschaffen, die sich um theologische, kulturelle und „atmosphärische“ Vorarbeiten für eine weitere Annäherung bemühe. Im Februar des kommenden Jahres werde die Kommission in Wien tagen und dabei Zukunftsperspektiven für die Ausübung kirchlicher Gemeinschaft in den Blick nehmen.

Bei der Darstellung des Forums der Kirchen der syrischen Tradition verwies der „Pro Oriente“-Generalsekretär darauf, dass hier erstmals die Apostolische Kirche des Ostens einbezogen worden sei, die Kirche des alten Perserreichs mit ihrem Mittelpunkt in Seleukia-Ktesiphon. Immer habe diese Kirche mit der besonderen Herausforderung umgehen müssen, in ihrem Verbreitungsgebiet von nichtchristlichen Herrschern regiert zu werden. Das unterscheide sie von allen anderen christlichen Kirchen, habe sie aber nicht daran gehindert, Missionare über den ganzen asiatischen Kontinent, bis nach Indien und China auszusenden. Fälschlich sei diese Kirche oft als „nestorianisch“ bezeichnet worden (Patriarch Nestorius von Konstantinopel wurde eine Lehre über das Verhältnis von menschlicher und göttlicher Natur Jesu Christi zugeschrieben, die als im Widerspruch zu den Festlegungen des Konzils von Chalcedon stehend eingeordnet worden war). Erst Ende des 20. Jahrhunderts konnte der Vorwurf des „Nestorianismus“ gegen die Apostolische Kirche des Ostens (heute oft „Assyrische Kirche“ genannt) wirksam entkräftet werden, „wesentlich auch mit Hilfe der Arbeit von ‚Pro Oriente‘“, wie Mussinghoff betonte.

Seit 25 Jahren sind Vertreter aller zehn katholischen und orthodoxen Kirchen der syrischen Tradition im „Forum Syriacum“ präsent, berichtete der „Pro Oriente“-Generalsekretär. In der Kommission seien sowohl Westsyrer (der syrisch-orthodoxen Kirchenfamilie) als auch Ostsyrer (der Apostolischen Kirche des Ostens) vertreten. Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des syrischen Dialogs von „Pro Oriente“ werde Ende November das nächste „Colloquium Syriacum“ in Wien stattfinden. Am 26. November werde es unter dem Titel „Lebendiges Kulturerbe in Gefahr“ im Wiener Schottenstift eine öffentliche Podiumsdiskussion mit den Teilnehmern der Konferenz geben. Das „Colloquium Syriacum“ stehe unter dem programmatischen Titel „Mit Hoffnung in die Zukunft“. In diesem Titel komme – trotz aller Bedrohungen – ein „gemeinsames Bekenntnis zur Strahlkraft des christlichen Glaubens auch in Zeiten existenzieller Gefährdung zum Ausdruck“, betonte Mussinghoff.