Streit zwischen Konstantinopel und Moskau wirkt sich auch in der Diaspora aus

Erklärung des Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos – Sorge in der vielgestaltigen Orthodoxie der USA

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Foto: © Русский: Pavlucco; permission GFDL+CCA (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported/GNU Free Documentation License)

Bonn-Washington, 19.09.18 (poi) Die Auseinandersetzung zwischen den orthodoxen Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau im Hinblick auf die Ukraine wirkt sich auch in der weltweiten orthodoxen Diaspora aus. Da der Heilige Synod des Moskauer Patriarchats entschieden hat, dass man russischerseits an keinen Gremien und Kommissionen mehr teilnehmen wird, wo Repräsentanten des Ökumenischen Patriarchats präsidieren, rechnet der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos (Labardakis), damit, dass die drei in Deutschland residierenden russisch-orthodoxen Bischöfe am nächsten Treffen der Bischofskonferenz nicht teilnehmen werden. Er bedaure den Beschluss des Moskauer Heiligen Synods und die Konsequenzen, die sich in Deutschland ergeben, “außerordentlich”, stellte der Metropolit in einer Erklärung fest. Die panorthodoxe Zusammenarbeit im Rahmen der Orthodoxen Bischofskonferenz habe sich stets “fruchtbar und harmonisch” gestaltet. Er hoffe, dass die Schwierigkeiten, die in den innerorthodoxen Beziehungen aufgekommen sind, möglichst bald überwunden werden, stellte Metropolit Augoustinos fest.

In seiner Erklärung schreibt der Metropolit, die Ukraine als “das zweitgrößte Land Europas” strebe eine kirchliche Unabhängigkeit (Autokephalie) an und wolle sich von der Kirche in Russland lösen, “einem Land, mit dem sich die Ukraine bekanntlich in einem mehr oder weniger offenen bewaffneten Konflikt befindet”. In dieser Situation habe der Ökumenische Patriarch von Amts wegen eingegriffen und versucht, nicht nur diese akute Frage einer kirchlichen Unabhängigkeit zu lösen, sondern auch zur Überwindung des innerkirchlichen Schismas in der Ukraine beizutragen, das nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion dort entstanden sei. Diese “äußerst diffizile Aufgabe” komme ihm durch seinen Ehrenprimat in der Orthodoxie zu und bedeute also “keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer anderen Kirche”, ganz abgesehen davon, dass “die kirchliche Anbindung der Ukraine an die Mutterkirche in Konstantinopel jahrhundertelang durch zaristische und sowjetische Machtpolitik behindert und sogar geleugnet wurde”.

Dass jemand, der einen Streit schlichten möchte, damit selbst seitens der Konfliktparteien zur Zielscheibe von Angriffen gemacht wird, sei im Übrigen ein Phänomen, das man häufig genug beobachten könne, betont Metropolit Augoustinos weiter. Deshalb könnedas Engagement des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel für die innerorthodoxe Einheit und sein Beistand, “den es immer wieder gerade auch russischen Gläubigen und Gemeinden im Exil gewährt hat”, nicht hoch genug gewürdigt werden.

Ein weiterer Aspekt des Beschlusses des Moskauer Heiligen Synods betreffe das Verbot der Konzelebration von Bischöfen des Moskauer Patriarchats mit Bischöfen des Ökumenischen Patriarchats. Dies habe bereits Auswirkungen in Deutschland gehabt, da bei der Einführung des neuen serbisch-orthodoxen Bischofs in Düsseldorf am 16. September Vikarbischof Bartholomaios (Kessidis) gebeten wurde, wegen der Anwesenheit zweier russischer Bischöfe nicht zu konzelebrieren. Selbst wenn von russischer Seite betont werde, es handle sich nicht um eine Aufkündigung der eucharistischen Gemeinschaft und im Übrigen seien Konzelebrationen von Priestern weiterhin gestattet, bedaure er diese Maßnahme und die dahinter stehende Einstellung zutiefst, unterstreicht Metropolit Augoustinos. Für die orthodoxen Christen sei die (gemeinsame) Feier der Göttlichen Liturgie “die Summe und der Höhepunkt kirchlichen Lebens”. Deshalb sei diese Situation, die er in dieser Form zum ersten Mal in fast fünf Jahrzehnten bischöflichen Dienstes erlebe, “schmerzhaft und verstörend”, so der Metropolit.

Der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland wies in seiner Erklärung auf einen weiteren Aspekt der Moskauer Entscheidung hin, sich aus „allen Bischofsversammlungen, theologischen Dialogen, multilateralen Kommissionen und anderen Gremien” zurückzuziehen, in denen “Vertreter des Patriarchats von Konstantinopel präsidieren oder Ko-Vorsitzende sind”. Da innerorthodox stets das “Prinzip der Diptychen” gelte, einer Liste der autokephalen Kirchen, auf der an erster Stelle das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel steht, präsidieren oder ko-präsidieren die Vertreter Konstantinopels bei allen panorthodoxen Gremien (z.B. den Bischofskonferenzen) und Dialogen. Der Moskauer Beschluss bedeute dementsprechend auch den Rückzug der russisch-orthodoxen Kirche aus den theologischen Dialogen auf Landes- und auf Weltebene und aus anderen entsprechenden Foren und gehe also weit über eine intendierte „Abstrafung“ des Ökumenischen Patriarchats “und seines mutigen Vorstehers” hinaus. “Da kann einen nur noch das legendäre Wort des deutschen sozialdemokratischen Politikers Herbert Wehner trösten: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen!“, stellte der Metropolit abschließend ironisch fest.

Die ukrainischen Vorgänge haben mittlerweile auch in der vielgestaltigen Orthodoxie der USA Besorgnis ausgelöst. So schrieb der orthodoxe Blogger Josephus Flavius: „Kommt es zu einer vollständigen Zerstörung der sorgfältigen Harmonie der orthodoxen Kirche in Amerika? Wenn das Ökumenische Patriarchat und das Moskauer Patriarchat die Kommuniongemeinschaft abbrechen, bedeutet das, dass Priester der Orthodoxen Kirche von Amerika (OCA, ihr wurde von Moskau die Autokephalie verliehen) und der Griechisch-orthodoxen Erzdiözese von Amerika (GOA, sie gehört zum Ökumenischen Patriarchat) nicht mehr konzelebrieren? Werden die vielen nicht zum Ökumenischen Patriarchat gehörenden Priester, die gegen geringe Bezahlung in den Pfarren der GOA Dienst tun, aufhören müssen und kleinere griechische Pfarren priesterlos werden? Wird die antiochenische Erzdiözese (zu der sehr viele Konvertiten aus dem katholischen und evangelikalen Bereich gehören) ebenfalls mit der GOA brechen? Was werden die Serben tun? Was geschieht im Hinblick auf panorthodoxe Ereignisse? Werden wir getrennt zum ‚Marsch für das Leben‘ gehen? Tausend Fragen tauchen auf. Wie wird die Orthodoxie nächstes Jahr um die gleiche Zeit aussehen? Gott verleihe uns Demut, Frieden und Heilung in dieser kritischen Zeit“.