Syrisch-orthodoxer Patriarch für Aufnahmebereitschaft gegenüber Flüchtlingen

Bei der Generalversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen in Novi Sad erinnerte Mor Ignatius Aphrem II. daran, dass die Kirchen aber auch für die religiöse und kulturelle Identität Europas Sorge tragen müssen – Pastoralbesuche des Patriarchen im Sultanat Oman, in Deutschland und in Indien

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Foto ©: Albin Hillert/CEC (Quelle: https://flic.kr/p/27EqdyS, Lizenz: Erlaubnis der CEC)

Belgrad-Damaskus, 04.06.18 (poi) Für eine aus dem Evangelium begründete großzügige Gastfreundschaft und Aufnahmebereitschaft gegenüber Flüchtlingen und Migranten hat der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. bei der Generalversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (CEC) im serbischen Novi Sad plädiert. Freilich müssten die Kirchen in Europa zugleich für die religiöse und kulturelle Identität Europas Sorge tragen. Die Werte Europas seien christliche Werte, betonte der Patriarch, dies zu bedenken, sei besonders wichtig angesichts der Ausbreitung von Säkularismus und Atheismus in der Welt. Wörtlich fügte Mor Ignatius Aphrem II. hinzu: “Laden wir Christus in unser Leben ein und lassen wir ihn durch uns den weniger glücklichen Brüdern und Schwestern zu Hilfe kommen. Scheuen wir uns nicht, unsere Herzen, Kirchen und Häuser jenen Notleidenden zu öffnen, die Zuflucht und Überleben suchen”.

Das Evangelium mache deutlich, dass Gott “gastfreundlich ist und den Fremden liebt”, so der syrisch-orthodoxe Patriarch. Christus identifiziere sich mit den Notleidenden, mit den Fremden und Ausländern. Zugleich erinnerte Mor Ignatius Aphrem daran, dass der Christ gleichsam “Gast auf Erden” ist, aber nicht der “Logik dieser Welt und ihren Methoden” folgt.

Notwendig sei es freilich auch, dass sich die Kirchen mit ihren Gläubigen auf die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten entsprechend vorbereiten, stellte der syrisch-orthodoxe Patriarch fest.

Appell für die entführten Metropoliten von Aleppo

Die Einladung des Patriarchen von Antiochien nach Novi Sad war auch Ausdruck des Bemühens der Konferenz Europäischer Kirchen, die Solidarität mit den bedrängten Christen des Nahen Ostens zum Ausdruck zu bringen. Vor seinem Plädoyer für die christliche “Gastfreundschaft” hatte Mor Ignatius Aphrem II. seit Anfang Mai Gemeinden seiner Kirche in unterschiedlichen Weltgegenden besucht. So began er am 8. Mai einen Pastoralbesuch im Sultanat Oman, wo viele syrisch-orthodoxe Christen vor allem aus Südindien leben.

In der omanischen Hauptstadt Maskat traf der Patriarch mit dem omanischen Kulturminister Sayyid Haitham bin Tariq Al Said zusammen, der die Grüße von Sultan Qabus bin Said übermittelte, der die in Oman lebenden Christen “liebe und respektiere, insbesondere auch die syrisch-orthodoxe Kirche”. Mor Ignatius Aphrem II. dankte seinerseits für die Atmosphäre der Toleranz im Sultanat, die es den syrisch-orthodoxen Gläubigen ermögliche, am Aufbau der Gesellschaft mitzuwirken. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Situation in Syrien, wo eine “friedliche Lösung” dringend notwendig sei. Der Patriarch erinnerte an die Leidensgeschichte der syrisch-orthodoxen Christen durch das jungtürkische Regime während des Ersten Weltkriegs (“Sayfo”), die sich in den dramatischen Ereignissen der letzten Jahre fortgesetzt habe. Mor Ignatius Aphrem II. ersuchte den omanischen Kulturminister um Hilfe im Fall der beiden entführten Metropoliten von Aleppo, Mor Gregorios Youhanna Ibrahim und Boulos Yazigi. Dabei verwies er auf das Engagement von Sultan Qabus im Fall des in Aden entführten indischen Salesianerpaters Thomas Uzhunnalil im Jahr 2017; P. Thomas wurde dank der Initiative aus Maskat von den islamistischen Entführern freigelassen. Sayyid Haitham bin Tariq Al Said sicherte die Hilfe der omanischen Diplomatie zu und erinnerte zugleich an die historische Tradition des Sultanats, die von Offenheit für alle Religionen gekennzeichnet sei. Im Anschluss an die Begegnung mit dem Kulturminister traf der Patriarch auch mit dem Religionsminister Scheich Abdallah bin Mohammed bin Abdallah Al Salmi zusammen.

In mehreren Städten im Sultanat feierte der Patriarch in den örtlichen syrisch-orthodoxen Kirchen die Liturgie, begleitet zumeist vom Patriarchalvikar für Oman (und Metropoliten von Kozhikkod), Mor Ireneos Paulos, und anderen syrisch-orthodoxen Bischöfen aus Südindien und dem Nahen Osten. In Ghala weihte Mor Ignatius Aphrem II. die neuerbaute Kirche Mor Shmouni; zu diesem Anlass kam auch der für die Kirche in Südindien zuständige Katholikos Mor Baselios Thomas I. in das Sultanat. Bei der Weiheliturgie dankte der Patriarch dem Sultan, der Regierung und dem Volk von Oman für die Unterstützung beim Bau des neuen großen Gotteshauses.

Begegnung mit Ministerpräsident Bouffier

Nach dem Pastoralbesuch auf der Arabischen Halbinsel reiste der Patriarch nach Deutschland, wo er mit dem neuernannten Kirchenrat der syrisch-orthodoxen Eparchie für Deutschland zusammentraf. In Pohlheim weihte er die neue Mor Eliyo-Kirche, an dem Weihegottesdienst nahm auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier teil. Bouffier bezeichnete den Bau des neuen Gotteshauses als „Zeichen für das Wachsen der syrisch-orthodoxen Kirche und ihre Lebendigkeit in Deutschland“. Der Bau eines Gotteshauses bedeute, eine Heimat, einen Ort der Zuflucht und Geborgenheit, zu haben. Auch mit dem deutschen CDU-Politiker diskutierte der Patriarch die aktuelle Situation in Syrien.

Unmittelbar nach dem Deutschland-Besuch flog Mor Ignatius Aphrem II. nach Indien, wo er die Bischofssynode des syrisch-orthodoxen Katholikosats in Puthencruz, dem historischen Zentrum der Kirche in Kerala, leitete. Die von Katholikos Mor Baselios Thomas I. geführte syrisch-orthodoxe Kirche in Südindien ist blühend und dynamisch, aber nach wie vor bereitet die Trennung vom autokephalen Teil der südindischen Kirche Probleme. Dabei geht es vor allem um vor säkularen Gerichten geführte Auseinandersetzungen um Kirchengebäude und andere Immobilien. Der Patriarch nahm in seiner Eröffnungsrede indirekt auf die Probleme Bezug und sagte, die syrisch-orthodoxen Christen in Indien sollten wissen, dass er mit ihnen unter den Schwierigkeiten leide und täglich für das Wohl der Kirche im südlichen Indien bete.

In Trivandrum, der Landeshauptstadt von Kerala, traf der Patriarch mit dem kommunistischen Ministerpräsidenten des südindischen Bundesstaats, Pinarayi Vijayan, zusammen. Mor Ignatius Aphrem II. dankte dem Ministerpräsidenten für dessen “positive Rolle” in der gegenwärtigen Situation in Indien. Christen und Kommunisten in Kerala lehnen die vom Hindu-Nationalismus der “Bharatiya Janata Party“ (BJP) geprägte Linie des gesamtindischen Ministerpräsidenten Narendra Modi ab.