Syrisch-orthodoxer Patriarch gedenkt des Beginns des Völkermords im Ersten Weltkrieg

Mor Ignatius Aphrem II.: “Wir werden in Syrien bleiben, wir werden Syrien verteidigen und wir werden die Terroristen besiegen” – Es began 1915 in Diyarbakir (Amid)

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Foto: © Noucho (Quelle: Wikimedia; Lizenz: public domain)

Damaskus, 17.06.18 (poi) “Wir werden in Syrien bleiben, wir werden Syrien verteidigen und wir werden die Terroristen besiegen”: Dies betonte der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. bei einem Gottesdienst in der Georgskathedrale im Damaszener Stadtteil Bab Touma. Der Gottesdienst stand im Zeichen des 103. Jahrestags des Beginns des vom Zentralkomitee der jungtürkischen Partei für “Einheit und Fortschritt” (Ittihad ve Terakki) angeordneten Völkermords an den Christen der syrischen Tradition (Gläubige der syrisch-orthodoxen, der assyrisch-orthodoxen, der syrisch-katholischen, der chaldäisch-katholischen Kirche). Die Ittihadisten stellten zu diesem Zeitpunkt die kaiserlich-osmanische Regierung, die im Ersten Weltkrieg mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn verbündet war. Der Völkermord wird bei den Christen der syrischen Tradition bis heute mit dem Begriff “Seyfo” (Schwert) bezeichnet. Die Zahl der Opfer wird mit mindestens 500.000 beziffert. Ebenso wie durch den Völkermord an den Armeniern wurden durch den gleichzeitigen “Seyfo” weite Teile der ostanatolischen Vilayets in Trümmerfelder und Wüstungen verwandelt. Die von der osmanischen Gendarmerie mit Unterstützung von entlassenen Strafgefangenen und Milizen kurdischer Beys durchgeführte Mordkampagne führte auch zur Zerstörung kostbarster Denkmale der frühchristlichen Geschichte ab dem 2./3. Jahrhundert, ungezählte Kirchen und Klöster im östlichen Anatolien, die zum Welterbe gehörten, wurden (mitsamt den dort aufbewahrten großartigen Manuskripten der Heiligen Schrift und der Kirchenväter) niedergebrannt.

Mor Ignatius Aphrem II. sagte bei dem Gottesdienst, die Erinnerung an den “Seyfo” in Städten wie Mardin, Amid (Diyarbakir) usw. verweise darauf, dass die Vorfahren trotz der von den Ittihadisten und deren Gefolgsleuten verübten Mord- und Folterkampagnen der Heimat treu geblieben seien. Wörtlich fügte der Patriarch hinzu: “Diese Erinnerung motiviert uns, heute in Syrien zu bleiben, unserer Heimat treu zu sein, sie zu verteidigen und die Takfiristen (Terroristen) zu besiegen”. Mor Ignatius Aphrem II. betete für die Seelenruhe aller Märtyrer des “Seyfo” und des immer noch im Gang befindlichen Syrien-Krieges. Nach der Liturgie führte der syrisch-orthodoxe Patriarch eine Lichterprozession zum Gedächtnispark für die Opfer der “Seyfo”-Massaker.

Der “Seyfo” begann 1915 im Vilayet Amid (Diyarbakir) mit seiner bis heute von den schwarzen römischen Basaltmauern umgebenen gleichnamigen Hauptstadt. Der damals neu ernannte Vali (Gouverneur), Mehmet Reschid Bey, startete – unter Ausnützung regionaler Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen – eine Terrorkampagne gegen die christliche Bevölkerung der Provinz. Mehmed Reschid Bey war ein Arzt, der aus einer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Russland geflüchteten tscherkessischen Familie stammte. Seine Überzeugung war, dass es sich bei den Christen im Osmanischen Reich um „Ungeziefer“ handle, das man ausmerzen müsse. Mehmed Reschid Bey rühmte sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs und des „Seyfo“, dass sein Vilayet als erstes in Anatolien „christenfrei“ geworden sei. Unter den jungen deutschen Verbindungsoffizieren, die damals in Amid stationiert waren, befand sich auch Rudolf Höß, der spätere Kommandant des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Mehmed Reschid Bey gehörte zu den wenigen verbrecherischen osmanischen Funktionären, die nach dem Waffenstillstand von 1918 verhaftet wurden. Er wurde in Erwartung des Prozesses in ein Gefängnis in Konstantinopel eingeliefert, wo er Selbstmord verübte.