Damaskus, 04.02.18 (poi) Der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. hat am Samstag zum ersten Mal seit der Befreiung der Stadt aus der Gewalt der IS-Terroristen in der Marienkathedrale der am Euphrat gelegenen syrischen Metropole Deir ez-Zor wieder die Heilige Liturgie gefeiert. An dem Gottesdienst nahmen auch christliche Bewohner von Deir ez-Zor teil, die jetzt langsam wieder in die weitgehend zerstörte Stadt zurückkehren.
In seiner Predigt dankte der Patriarch Gott für die Rückkehr der Stadt in die Normalität, brachte aber auch seine Trauer über die Kämpfe zum Ausdruck, denen auch christliche wie muslimische Gotteshäuser zum Opfer gefallen waren; auch die ©ienkathedrale wurde schwer beschädigt. Der Gottesdienst in der Kathedrale sei ein Zeichen, dass Syrien die „Jahre der Gewalt und des Terrors“ überwinde, sagte Mor Ignatius Aphrem II., der vom Gouverneur, Mohammad Ibrahim Samra, bei seiner Ankunft in der Stadt feierlich empfangen worden war. Die syrisch-orthodoxe Kirche werde ihren Einsatz für den Wiederaufbau und für die Hilfe an die bedrängte Bevölkerung entschlossen fortsetzen, betonte der Patriarch. Er besuchte in Deir ez-Zor auch die Klinik St. Efrem, die nach der Befreiung der Stadt vom Hilfskomitee des Patriarchats gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation WHO aufgebaut worden ist.
Deir ez-Zor war in den Jahren des Syrien-Krieges eine der am meisten umkämpften Städte. Islamistische Terrorgruppen hatten Ende 2013 einen Teil der Stadt erobert. Im September 2014 zerstörten IS (Daesh)-Terroristen die armenische Gedenkkirche für die Opfer des vom jungtürkischen „Ittihad ve Terakki“-Regime während des Ersten Weltkriegs inszenierten Völkermords. Im Jänner 2016 griffen die IS-Terroristen die noch von der syrischen Armee gehaltenen Stadtteile an und ermordeten dabei 300 Zivilisten. Erst am 3. November 2017 konnte die syrische Armee die ganze Stadt wieder unter ihre Kontrolle bringen.
Die Stadt am Euphrat war das Endziel der Todesmärsche der christlichen Bevölkerung aus allen Teilen Anatoliens während des Ersten Weltkriegs gewesen. Außerhalb der Stadt am Euphrat richtete die (mit Berlin und Wien/Budapest verbündete) Regierung in Konstantinopel ein Konzentrationslager ein, in dem ab 1915 möglicherweise bis zu 400.000 Menschen ums Leben kamen. 1989 wurde mit dem Bau einer armenisch-apostolischen Gedenkstätte für die Opfer begonnen, im November 1990 wurde der Bau vollendet. Die Weihe erfolgte am 4. Mai 1991 durch den damaligen kilikischen Katholikos Karekin II. Von da an war die Gedenkstätte – mit Kirche, Museum, Kreuzsteinen („Chatschkaren“), Archivzentrum und Ausstellung – an jedem 24. April (zum Gedenken an den Beginn des Völkermords durch eine großangelegte Verhaftungsaktion der osmanischen Geheimpolizei in den Morgenstunden des 24. April 1915) das Ziel zehntausender armenischer Wallfahrer aus aller Welt.
Die Zerstörung der Gedenkstätte durch die IS-Terroristen löste in der weltweiten armenischen Diaspora ebenso wie in der Republik Armenien heftige Empörung aus. Mittlerweile gibt es bereits Pläne zum Wiederaufbau der Gedenkstätte