Tauziehen um die Isaakskathedrale in St. Petersburg geht weiter

Nach Medienberichten über Sistierung der Übergabe an die russisch-orthodoxe Kirche hielt sich Putin-Sprecher Peskow bedeckt, ließ aber das Interesse des Kremls am Schicksal der eindrucksvollen Kathedrale durchblicken

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Foto: © Alex 'Florstein' Fedorov (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Moskau, 01.04.19 (poi) Das Tauziehen um die Übereignung der Kathedrale St. Isaak in St. Petersburg an die russisch-orthodoxe Kirche geht weiter. In russischen Medien war in der Vorwoche der Eindruck erweckt worden, die Übereignung sei vom Tisch, St. Isaak (benannt nach dem Heiligen Isaak von Dalmatien) bleibe Museum (allerdings finden seit 1990 wieder regelmäßig orthodoxe Gottesdienste in der eindrucksvollen Kathedrale statt). Präsidentensprecher Dmitrij Peskow erklärte am Freitag: „Wir haben keine offizielle Information. Wir wissen auch nicht, was die ursprüngliche Quelle der Medienbeiträge war. Aber es ist eine der wichtigsten historischen Stätten Russlands. Daher ist der Kreml daran interessiert, was dort geschieht. Zuständig ist aber die Stadt und die Region“.

In den Medienberichten hatte es geheißen, im Kulturministerium sei die Entscheidung gefallen, die Kathedrale nicht an die russisch-orthodoxe Kirche zu übergeben. Am 10. Jänner 2017 kündigte der damalige Gouverneur von St. Petersburg, Georgij S. Poltawtschenko, an, dass die Kathedrale auf der Basis eines Gesetzes von 2010 über den „Transfer von enteigneten Gotteshäusern an religiöse Organisationen“ der russisch-orthodoxen Kirche übergeben werden solle. Es kam zu einem Aufschrei der Empörung, vor allem in intellektuellen Kreisen der Newa-Metropole. Es gab Demonstrationen und Menschenketten. Die Gegner der Übereignung gingen auch zu Gericht. Sie führten ins Treffen, dass das Gotteshaus nie der Kirche gehört habe, sondern direkt dem Zaren unterstellt gewesen sei. Außerdem argumentierten sie, dass der bisher durch die Eintrittsgelder des Museums finanzierte Unterhalt der Kathedrale nach der Übergabe nicht mehr gesichert sei. Dann trat auch der Direktor des Museums, Nikolai Burow, ein entschiedener Gegner der Übergabe des Gotteshauses an die Kirche, zurück. Nicht wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folgten ihm.

Die offizielle Frist für den Antrag auf Übergabe verstrich aber im heurigen Jänner, ohne dass seitens der Kirche ein Antrag eingebracht wurde. Das dürfte die Medienspekulationen befördert haben. In Medienkommentaren wurden aber auch Verbindungen zu den im Herbst bevorstehenden Gouverneurswahlen hergestellt, die Übergabe der Kathedrale an die Kirche sei nicht populär. In kirchlichen Kreisen wiederum werden die Vorgänge um die Isaakskathedrale als Indiz dafür empfunden, dass das Erbe der antireligiösen totalitären Vergangenheit nach wie vor wirksam ist, was sich etwa auch im Bildungsbereich zeige.

Die Isaakskathedrale ist die größte Kirche St. Petersburgs und einer der größten sakralen Kuppelbauten der Welt. Die Kirche ist 111 Meter lang, 97 Meter breit und 101,50 Meter hoch. Der Durchmesser der vergoldeten Hauptkuppel beträgt 26 Meter. In der Kirche finden mehr als 10.000 Menschen Platz. Katharina II. beauftragte den italienischen Architekten Antonio Rinaldi 1764 mit dem Neubau der Isaakskathedrale. 1790 verließ Rinaldi Russland, ohne sein Werk vollendet zu haben. Nach dem Sieg über Napoleon I. im Vaterländischen Krieg wollte Alexander I. die Isaakskathedrale zu einem Nationaldenkmal umgestalten. Er schrieb 1816 einen Architektenwettbewerb aus, den der Franzose Auguste Ricard de Montferrand für sich entscheiden konnte. 1818 begannen die Bauarbeiten. Zunächst wurde der Vorgängerbau teilweise abgebrochen; nur der Altarraum blieb bestehen. Von 1822 bis 1825 wurden die Bauarbeiten auf Drängen der Akademie der Künste eingestellt, da es zu statischen Problemen gekommen war. Zudem wurde Montferrands fachliche Kompetenz angezweifelt, der Architekt konnte jedoch seine Gegner mit einem überarbeiteten Entwurf überzeugen. Die Errichtung der 101 Meter hohen Hauptkuppel dauerte von 1837 bis 1841. Sie war die erste große Kuppel in Metallbauweise weltweit.

Nach der Oktoberrevolution wurde in der Isaakskathedrale noch bis 1928 die Göttliche Liturgie gefeiert. Nach der Beschlagnahmung richteten die Kommunisten in der Kathedrale ein antireligiöses Museum ein, das 1931 seine Pforten öffnete. Damals wurde ein 91 Meter langes „Foucault‘sches Pendel“ in die Kuppel gehängt. Im Zweiten Weltkrieg diente die Isaakskathedrale als Depot für Kunstgegenstände aus den Zarenresidenzen des Petersburger Umlandes. Nach dem Krieg begannen aufwändige Restaurierungsarbeiten, die 1960 abgeschlossen wurden.