Trauer um den armenischen Patriarchen von Konstantinopel

Mesrob Mutafyan starb nach langer Krankheit im 63. Lebensjahr im armenischen Erlöser-Krankenhaus von Istanbul - Türkischer Staatspräsident Erdogan kondoliert

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Foto: © User:Vmenkov (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic)

Istanbul, 10.03.19 (poi) Die Armenier in aller Welt trauern um den armenisch-apostolischen Patriarchen von Konstantinopel, Mesrob Mutafyan, der am 8. März nach langer Krankheit im Istanbuler armenischen Erlöser-Krankenhaus gestorben ist. Patriarch Mesrob stand im 63. Lebensjahr. Petros Sirinoglu, der Vorsitzende der Stiftung des „Surp Pirgic“-Krankenhauses, teilte mit, dass der Patriarch einem Herzinfarkt erlegen sei. Sirinoglu fügte hinzu: „Unser Krankenhaus hat in den zehn Jahren der Hospitalisierung des Patriarchen alles getan, was möglich war.  Leider konnten  wir ihn nicht retten. Patriarch Mesrob war ein wunderbarer religiöser Mensch, der von aller Welt geliebt wurde“. Der türkische Staatspräsident Recep T. Erdogan kondolierte noch am Freitag dem Patriarchalvikar, Erzbischof Aram Atesyan, telefonisch zum Ableben von Patriarch Mesrob. Der Patriarch war 1998 gewählt worden, ab 2008 war er wegen einer rasch fortschreitenden Demenz-Krankheit nicht mehr amtsfähig.

Mesrob Mutafyan war der 84. armenisch-apostolische Patriarch von Konstantinopel. Das Patriarchat wurde 1461 – nach der osmanischen Eroberung des „Neuen Rom“ – errichtet. Außer in Konstantinopel gibt es ein armenisch-apostolisches Patriarchat auch in Jerusalem. Das Katholikat in Akhtamar im östlichen Anatolien erlosch 1895 während der von Sultan Abdulhamid II. zumindest indirekt geförderten Armenier-Verfolgung der Jahre 1894 bis 1896.  Das Katholikat von Gandsassar (in Arzach) wurde 1815 von den russischen Behörden zur Metropolie zurückgestuft. Im armenischen Etschmiadzin und im kilikischen Sis (der Sitz musste nach dem Völkermord der Jahre 1915 bis 1923 in den Libanon  verlegt werden) bestehen die beiden heute besonders angesehenen Katholikate, die auch für die weltweite Diaspora zuständig sind. Der oberste Katholikos-Patriarch aller Armenier ist  der in Etschmiadzin residierende, derzeit Karekin II. Nersissian.

Der jetzt verstorbene Patriarch von Konstantinopel studierte Philosophie und Soziologie im US-amerikanischen Memphis. 1979 wurde er in Konstantinopel zum Priester geweiht und zum Pfarrer auf der Prinzeninsel Proti bestellt. Bis 1981 setzte er seine theologischen Studien in Jerusalem fort. Am 21. September 1986 wurde er in Etschmiadzin zum Bischof (für Proti) geweiht. Von 1982 bis 1990 koordinierte er die ökumenischen Beziehungen des armenischen Patriarchats von Konstantinopel. In dieser Zeit besuchte er 1988/89 die päpstliche Universität „Angelicum“ in Rom. 1993 wurde er zum Erzbischof der Prinzeninseln im Marmara-Meer erhoben. Ab 1997 wirkte er als Generalvikar. Nach dem Tod des Patriarchen Karekin II. Kazandschian wurde er im März 1998 zum „Locum tenens“ gewählt. Seitens der türkischen Behörden wurde bei der Neuwahl des Patriarchen der dienstältere Erzbischof Shahan Sivaciyan favorisiert, doch setzte sich Mesrob Mutafyan durch. Er verstand sein Amt als „Dienst im Sinn der Versöhnung“, auch im Hinblick auf das Verhältnis von Armeniern und Türken. Der Patriarch plädierte in diesem Zusammenhang immer wieder für „Dialog und Behutsamkeit“. Im Juli 2008 wurde bekannt, dass der Patriarch an Alzheimer und Demenz litt. Die Geschäfte wurden seitdem von Erzbischof Aram Atesyan  geführt, der aus Amida (Diyarbakir) stammt.

In späteren Jahren kam es zu schweren Spannungen innerhalb der armenischen Gemeinschaft in der Türkei, die zum Rücktritt des Vorsitzenden des Pastoralrates des Patriarchats von Konstantinopel, Bischof Sahag Mashalian, führten. Katholikos-Patriarch berief schließlich im Februar 2017 einen Versöhnungsgipfel nach Etschmiadzin ein, an dem auch Erzbischof Atesyan und Bischof Mashalian teilnahmen. Am 15.März 2017 wurde Erzbischof Karekin Bekdjian, Primas der armenisch-apostolischen Kirche in Deutschland, zum „Locum tenens“ mit der Aufgabe der Vorbereitung einer Patriarchenwahl gewählt, Erzbischof Atesyan weigerte sich jedoch, seine Funktion als Patriarchalvikar aufzugeben. Es ergab sich eine „Blockade“, auch weil sowohl das armenische Kirchenrecht als auch die türkische Gesetzgebung die Neuwahl eines armenischen Patriarchen zu Lebzeiten des vorhergehenden Patriarchen verbieten.

Das armenisch-apostolische Patriarchat von Konstantinopel hat geschätzte 80.000 Gläubige, dazu kommen Arbeitsmigranten aus Armenien und eine unbekannte Anzahl von „Krypto-Armeniern“, Nachfahren  von während des Völkermords islamisierten oder muslimischen Familien übergebenen Armeniern.