Ukraine: Gerangel um die Bezeichnung der „Moskauer“ Kirche

Werchowna Rada verabschiedete als „verfassungsfeindlich“ eingestuftes Gesetz, wonach die orthodoxe Mehrheitskirche des Landes ihren Namen ändern und einen Hinweis auf das Moskauer Patriarchat einschließen muss

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Foto: © Dmitry A. Mottl (Quelle: WIkimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Kiew, 22.12.18 (poi) Die von der ukrainischen Präsidentschaft geförderte Bildung einer ukrainisch-orthodoxen Kirche konstantinopolitanischer Orientierung hat nach wenigen Tagen zu schweren politischen Auseinandersetzungen geführt. Dabei ging es um das Gesetz 5309, demzufolge die – bisher einzig kanonisch anerkannte – ukrainisch-orthodoxe Kirche ihren Namen ändern (und einen Hinweis auf das Moskauer Patriarchat einschließen) müsste. Bisher hatte die orthodoxe Mehrheitskirche des Landes schlicht „ukrainisch-orthodoxe Kirche“ geheißen. Das Gesetz sei „verfassungsfeindlich“, die ukrainisch-orthodoxe Kirche werde ihre Rechte mit allen legalen Mitteln verteidigen, erklärte die Rechtsabteilung der ukrainisch-orthodoxen Kirche, nachdem die Werchowna Rada mehrheitlich das umstrittene Gesetz verabschiedet hatte. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wurde aufgefordert, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen – was er aber nicht tat. Bei der Abstimmung in der Werchowna Rada hatte es – wie in Kiew üblich – handgreifliche Auseinandersetzungen gegeben.

Das Gesetz verletze die Religionsfreiheit von Millionen von ukrainischen Gläubigen, heißt es in der Erklärung der Rechtsabteilung der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Es stehe gegen die ukrainische Verfassung, die allgemeine und die europäische Erklärung der Menschenrechte. Die Ukraine sei ein „säkularer Staat“, daher sei es nicht möglich, für religiöse Vereinigungen gesetzmäßig Vorteile oder Nachteile zu verfügen. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche zwingen zu wollen, ihren Namen zu ändern, bedeute einen Eingriff in die inneren Angelegenheiten der Kirche und könne zu „unvorhersehbaren Konsequenzen“ führen.

Die Opposition im ukrainischen Parlament hatte scharfen Protest gegen das Gesetz 5309 eingelegt. Das Gesetz richte sich gegen das Gemeinwohl und die Meinung der ukrainisch-orthodoxen Gläubigen und setze die verfassungsfeindliche Haltung in religiösen Fragen fort. „Mittelalterliche Praktiken“ entsprechen keiner „demokratischen Gesellschaft“, hieß es in der Erklärung der Opposition: „Wir werden weiterhin gegen diese Gesetzlosigkeit kämpfen!.

Die ukrainisch-orthodoxe Kirche sehe auch nach der Abstimmung in der Werchowna Rada keinen Grund, ihren Namen zu ändern, betonte Erzbischof Kliment (Wetscherja), der Leiter der Informationsabteilung der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Erzbischof Kliment nannte in einem TV-Interview die Schwachstellen des von jungen ukrainischen Juristen entworfenen Gesetzes: „Nirgendwo wird festgehalten, dass wir Beziehungen irgendeiner Art zu einem ausländischen Zentrum unterhalten, wo es einen ‚Aggressor-Staat‘ gibt. Unsere Kirche hat kein Motiv, ihren Namen zu ändern, weil sich ihr administratives Zentrum nicht in einem ‚Aggressor-Staat‘ befindet“.

In Moskau hat die Entscheidung der Werchowna Rada, bei der sich 240 Parlamentarier für die eigenwillige neue Verfügung aussprachen, scharfe Reaktionen ausgelöst. Der Sekretär des Außenamts des Moskauer Patriarchats,. Erzpriester Igor Jakimtschuk, sagte, das Kiewer Gesetz erinnere ihn an die „Judenstern-Verordnungen“ des deutschen „Dritten Reiches“. Dieses Gesetz werde zur religiösen Konfrontation in der Ukraine führen und „mehr Instabilität in der ukrainischen Gesellschaft“ auslösen. Das Gesetz gehe auf die Intentionen des umstrittenen Bischofs – und selbsternannten Patriarchen – Filaret (Denisenko) zurückck, die Zielrichtung sei die Enteignung der Kirchen und Klöster der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats durch die neugeschaffene ukrainisch-orthodoxe Kirche des konstantinopolitanischen Patriarchats.

Leonid Slutskij, der Vorsitzende  des außenpolitischen Ausschusses der russischen Duma, sagte, es handle sich bei dem ukrainischen Gesetz um eine Maßnahme, um das Schisma in der Ukraine zu stärken. Wörtlich sagte Slutskij: „Es ist ein Akt der Urkundenfälschung. Die Kirche, die in Kiew seit 1.000 Jahren ist, wird ihres Namens beraubt und dieser wird einer schismatischen Einheit übereignet, die es seit drei Jahren gibt“. Die ukrainischen Abgeordneten hätten ihre „Vernunft und ihr Gewissen“ verloren, bedauerte der russische Abgeordnete. Es handle sich um einen weiteren „russophoben Eingriff in religiöse Fragen“ und um einen „Affront gegen die Frommen“. Und all das nur, um „von den amerikanischen Financiers positives Lob zu ernten“.