
Kiew-Moskau-Konstantinopel, 18.12.18 (poi) Der Heilige Synod der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats hat am Montag die beiden Bischöfe dieser Kirche, die am Samstag am „Vereinigungskonzil“ in der Kiewer Hagia Sophia teilgenommen hatten, ihrer Ämter enthoben. Es handelt sich um Metropolit Simeon (Schostatskij) von Winnitsa und Metropolit Aleksandr (Drabinko) von Perejaslaw Khmelnitskyj. In einem Rundschreiben des Heiligen Synods an die Bischöfe, Priester, Mönche und Gläubigen heißt es, das Treffen in der Hagia Sophia stelle eine „Versammlung von Schismatikern“ dar, die nichts mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche zu tun habe. Wörtlich heißt es weiter: „Für unsere Kirche hat sich nichts geändert, weil die Schismatiker im Schisma verblieben sind und die ukrainisch-orthodoxe Kirche die wahre Kirche Christi in der Ukraine geblieben ist“. Der Heilige Synod bittet um das Gebet für die beiden amtsenthobenen Metropoliten, damit sie „zur Vernunft kommen“ und „in den Schoß der Kirche zurückkehren“, die „wie eine liebende Mutter“ ihre Rückkehr erwarte.
Leider sei unter den Initiatoren der gegenwärtigen Prüfungen der ukrainisch-orthodoxen Kirche auch das Patriarchat von Konstantinopel, das sich darauf berufe, dass die Kirche der Kiewer Rus einst unter seiner Jurisdiktion gewesen sei, heißt es in dem vom Kiewer Metropoliten und Primas Onufrij (Berezowskij) unterzeichneten Rundbrief. Wörtlich wird weiter festgestellt: „Wir erinnern daran, dass die russisch-orthodoxe Kirche ihre Autokephalie wegen des Verrats des Patriarchats von Konstantinopel am orthodoxen Glauben durch die Unterzeichnung der Union mit Rom beim Konzil von Ferrara-Florenz 1439 proklamieren musste. Dieser spirituelle Verrat am orthodoxen Glauben war der Hauptgrund auch für die Metropolie von Kiew, sich von Konstantinopel zu trennen. Die Union verursachte einen Bruch in den kirchlichen Beziehungen, der durch die Tatsache verschärft wurde, dass die Kirche von Konstantinopel nicht imstande war, in den Zeiten der härtesten Prüfung für die Orthodoxie in unseren Ländern entsprechende pastorale Hilfe zu leisten. Erschöpft von der religiösen Konfrontation mit den Unierten (im polnisch-litauischen Doppelstaat, Anm.), verwüstet von Kriegen, vor allem nach der Union von Brest im Jahr 1596, schloss sich die Metropolie von Kiew im späten 17. Jahrhundert mit dem Ziel der Bewahrung des orthodoxen Glaubens der russisch-orthodoxen Kirche an. Deshalb hat das Patriarchat von Konstantinopel heute keine moralischen und kanonischen Rechte, um in die inneren Angelegenheiten und das spirituelle Leben der ukrainisch-orthodoxen Kirche einzugreifen. Darüberhinaus haben die Aktionen des Patriarchats von Konstantinopel zu einer Situation geführt, in der die Möglichkeit einer Einheit der Orthodoxen in der Ukraine für lange Zeit, wenn nicht für immer vergeudet wurde“. In dem Rundschreiben wird allen Bischöfen, Priestern, Mönchen und Laien, die dem Druck widerstanden haben und der ukrainisch-orthodoxen Kirche treu geblieben sind, der Dank ausgesprochen; Metropolit Onufrij zitiert dabei die Offenbarung des Johannes (Kapitel 2, Vers 10): „Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben“.
Im Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Heiligen Synods in Kiew wird vermerkt, dass die beiden disziplinierten Metropoliten auch das Priesteramt nicht mehr ausüben dürfen – wegen „grober Verletzung ihres bischöflichen Eids“ und Zuwiderhandeln gegen das Dekret des ukrainisch-orthodoxen Bischofsrates vom 13. November und die Entscheidungen des Heiligen Synods vom 7. Dezember. Auch fünf Priester, die entweder am vergangenen Samstag am „Vereinigungskonzil“ oder am vergangenen Donnerstag an der Feier der Göttlichen Liturgie mit Bischof Hilarion (Rudnyk), einem der beiden Exarchen Konstantinopels in Kiew, teilgenommen hatten, wurden diszipliniert.
Nach ukrainischen Medienberichten hat Metropolit Simeon noch am Montag gegen die Disziplinierung durch den Kiewer Heiligen Synod den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. als Berufungsinstanz angerufen. Bartholomaios I. habe sofort geantwortet und dem Metropoliten versichert, dass die Aktion des Kiewer Heiligen Synods der kirchenrechtlichen Grundlage entbehre und daher keine Wirkung haben. Die griechische Website „romfea“ wiederum berichtete, dass Bartholomaios I. schon am 14. Dezember die beiden Metropoliten von Winnitsa und Perejaslaw unmittelbar der Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchats unterstellt und sie damit dem Zugriff des Heiligen Synods der ukrainisch-orthodoxen Kirche entzogen habe.
Am Sonntag hatte Metropolit Simeon in der Verklärung Christi-Kathedrale in Winnitsa die Göttliche Liturgie zelebriert, dabei erläuterte er auch seine Vorgangsweise im Hinblick auf seine Teilnahme am „Vereinigungskonzil“. Daraufhin habe rund die Hälfte der Gottesdienstbesucher die Kathedrale zum Zeichen des Protests verlassen. Der Leiter der Pressestelle der Eparchie Winnitsa informierte am Montag die ukrainische Nachrichtenagentur „Ukrinform“, dass die Kathedralgemeinde sich entschlossen habe, mit dem Metropoliten zur am Samstag neugegründeten ukrainischen Kirche des Patriarchats von Konstantinopel überzugehen.
„Wie Spreu, die der Wind verweht“
Der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), hatte bereits am Samstag das „Pseudokonzil“ von Kiew in überaus scharfen Worten verurteilt. Er zitierte eingangs den ersten Vers des ersten Buches der Psalmen: „Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, nicht auf dem Weg der Sünder geht…alles, was er tut, wird ihm gut gelingen. Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht“. Ausgehend vom Psalmenwort verwies der Metropolit darauf, dass von den 90 Bischöfen der ukrainisch-orthodoxen Kirche nur zwei am „Rat der Frevler“ teilgenommen hätten. 88 Bischöfe hätten sich dem „Vereinigungskonzil“ verweigert, das dazu bestimmt war, „die kanonische Kirche zu zerstören und an seiner Stelle eine neue kirchliche Struktur mit einem hohen Grad der Abhängigkeit von Konstantinopel zu schaffen“. Anschließend stieg er – wie es in der Auseinandersetzung zwischen Moskau und Konstantinopel seit Monaten üblich ist – in die Tiefen der historischen Auseinandersetzung hinab und erinnerte daran, dass es in der Kirchengeschichte immer wieder „Räubersynoden“ gegeben habe. Die Kirche habe die Entscheidungen dieser Synoden im nachhinein zurückgewiesen und die Teilnehmer mit dem Bann („anathema“) belegt. Zu diesen Kirchenversammlungen zählte Metropolit Hilarion auch das Konzil von Ferrara-Florenz, bei dem Konstantinopel 1439 die Union mit Rom abgeschlossen habe. Schon drei Jahre später hätten die Patriarchate von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem das Konzil als „Pfusch“, antikanonisch und tyrannisch bezeichnet. In der Folge habe auch Konstantinopel die Union wieder aufkündigen müssen. In den wenigen Jahren der Union habe Konstantinopel aber in Kiew eine von der Moskauer Kirche getrennte Metropolie geschaffen. Diese Metropolie habe fast 200 Jahre bestanden, sei aber 1686 mit der russischen Kirche wiedervereinigt worden.
Metropolit Hilarion erinnerte aber auch an das „Konzil“ der vom bolschewistischen Regime unterstützten „Erneuerer“ im Jahr 1923 in Moskau, das unter Kontrolle der GPU (der damaligen sowjetischen Geheimpolizei, Nachfolgerin der „Tscheka“ und Vorgängerin des KGB) stattgefunden habe. Auch dieses „Konzil“ habe stattgefunden, um die kanonische Kirche zu liquidieren und an ihre Stelle eine neue, dem Regime genehme kirchliche Struktur zu setzen. Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel habe durch seinen damaligen Moskauer Repräsentanten, den Archimandriten Basilios Dimopoulo, das „Konzil“ der „Erneuerer“ unterstützt. Die jetzigen Ereignisse in Kiew erinnerten in „erstaunlicher Weise“ an die damaligen Vorgänge in Moskau, statt der GPU sei diesmal der ukrainische Staatssicherheitsdienst SBU am Werk, statt eines Archimandriten sei aus Konstantinopel ein Metropolit gekommen.
Im Hinblick auf die Fotos vom „Vereinigungskonzil“ übte der Metropolit Kritik an der „unpassenden“ Kleidung der Teilnehmer, damit sei der „illegitime Charakter“ der Versammlung unterstrichen worden. Abschließend meinte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats: „Der Plan von Patriarch Bartholomaios, die kanonische Kirche der Ukraine zu überreden, an der Schaffung der neuen Struktur teilzunehmen, ist fehlgeschlagen. Mit Ausnahme der beiden Verräter hat der Episkopat seine Einmütigkeit, seine Festigkeit, seinen Mut bewiesen. Das Schicksal des ‚Pseudokonzils‘ ist eine Wiederholung ähnlicher Vorgänge in der Kirchengeschichte. Seine Teilnehmer werden aus dem historischen Gedächtnis der Kirche getilgt werden ‚wie Spreu, die der Wind verweht‘. Die kanonische Kirche besteht trotz allen Drucks, trotz der Vorladungen der Priester zum SBU, trotz der Inbesitznahme ihrer Gotteshäuser, trotz der Drohungen gegen ihre wichtigsten Klöster weiter und sie wird weiterhin bestehen: ‚Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen‘ (Matthäus-Evangelium, Kapitel 16, Vers 18)“.