Ukraine: Kanonische Kirche des Landes für panorthodoxe Synaxis

Stellvertretender Leiter des Außenamts der ukrainisch-orthodoxen Kirche fordert zum Gebet für Patriarch Bartholomaios und für Patriarch Kyrill auf, damit ihnen „der Herr die Weisheit Salomos verleiht“

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Foto: © Dmitry A. Mottl (Quelle: WIkimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Kiew-Moskau-Konstantinopel, 13.09.18 (poi) Die Auseinandersetzung zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau über die Ukraine geht weiter. Von der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats kam jetzt der Vorschlag einer panorthodoxen Versammlung („Synaxis“) aller Oberhäupter der autokephalen (selbständigen) orthodoxen Ortskirchen. Der stellvertretende Leiter des Außenamts der ukrainisch-orthodoxen Kirche, Erzpriester Nikolai Danilewytsch, sagte in einem Interview, der Zeitpunkt für eine solche „Synaxis“ sei gekommen, weil „harte Zeiten“ bevorstehen, „die von einigen unserer Brüder herbeigeführt worden sind“. Wenn das Ökumenische Patriarchat wirklich die Frage des Schismas in der Ukraine lösen wolle, dann sei es zum Dialog eingeladen. Aber das dürfe nicht auf „unbeholfene Weise“ geschehen, indem „man die kleine Frage des ukrainischen Schismas löst und zugleich ein großes Problem für die ganze Orthodoxie auslöst“.

Auf die Frage, welche orthodoxen Kirchen zu Moskau und welche zu Konstantinopel stehen, meinte der Erzpriester, solche Zuschreibungen seien nicht nützlich. Aber der Patriarch einer „griechischsprachigen“ Kirche habe sich an den Kopf gegriffen, als er von der Ernennung von zwei konstantinopolitanischen Exarchen für Kiew hörte und von einer „Katastrophe“ gesprochen. Danilewytsch appellierte an alle orthodoxen Christen, sowohl für Patriarch Bartholomaios als auch für Patriarch Kyrill zu beten, damit „der Herr sie leitet und ihnen die Weisheit Salomos verleiht, damit sie das Problem lösen können“. Wenn ihnen das gelinge, würden sie in die Geschichte als die „größten Patriarchen aller Zeiten“ eingehen. Wenn das Problem nicht gelöst werde und Patriarch Bartholomaios auf dem eingeschlagenen Weg weitergehe, „wird es weder ihm noch uns Ehre bringen“.

 

Emmanuel: Keine Gefahr eines Schismas

Der Pariser Metropolit Emmanuel (Adamakis) hat in einem Interview mit der griechischen Zeitung „Ethnos“ betont, er sehe keine Gefahr eines Schismas, wenn die Autokephalie für die Ukraine verkündet wird. Denn die Kirchen würden heute in einem „Zeitalter der Kommunikation und Information“ leben, alle Probleme könnten im Detail diskutiert werden. Im Gespräch mit „Ethnos“ sagte Metropolit Emmanuel, einer der engsten Mitarbeiter von Patriarch Bartholomaios: „Mit der Entscheidung des Heiligen Synods des Ökumenischen Patriarchats vom 2. April wurde die Absicht der konstantinopolitanischen Mutterkirche bekannt, den Wunsch des ukrainischen Volkes nach Autokephalie akzeptieren zu wollen. Von diesem Augenblick an begann der Prozess der Information der anderen autokephalen orthodoxen Kirchen“.

Auf die Frage, ob die Entscheidung zur Gewährung der Autokephalie an die Ukraine die Beziehungen Konstantinopels zur russischen Kirche als der größten orthodoxen Kirche beeinträchtigen würde, sagte der Pariser Metropolit, der Phanar handle nicht „auf der Grundlage eigener Interessen oder politischer Pressionen“.  Zur Terminfrage machte Metropolit Emmanuel keine Aussagen, betonte aber, dass das Patriarchat von Konstantinopel nicht die Absicht habe, die Lösung des ukrainischen Problems zu verschieben, das sei „eine Priorität“.

 

„Ein Monolog des Patriarchats von Konstantinopel“

Der Leiter der Moskauer Synodalabteilung für Kirche, Gesellschaft und Beziehungen zu den Medien, Wladimir Legojda, sagte in einem Interview mit dem TV-Kanal “Rossija 1”, was sich in Sachen ukrainischer Autokephalie derzeit abspiele, sei “ein Monolog des Patriarchats von Konstantinopel”, die Bemühungen der russisch-orthodoxen Kirche, “irreparable Schäden” zu vermeiden, seien bisher erfolglos geblieben. Konstantinopel verfolge weiterhin seine Absicht, den von der Kiewer Regierung gestützten Schismatikern die Autokephalie zu verleihen, “ungeachtet der Proteste der kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche”.

Konstantinopel habe schon bei früheren Gelegenheiten nicht auf Moskau gehört, so Legojda. Vor dem Konzil von Kreta 2016 hätten drei Kirchen – Antiochien, Bulgarien, Georgien – bekanntgegeben, dass sie aus unterschiedlichen Gründen dem Konzil fernbleiben würden. Moskau habe daraufhin vorgeschlagen, eine Sondersitzung der Kirchenoberhäupter abzuhalten, um die Teilnahme aller autokephalen Kirchen in Kreta zu sichern. Konstantinopel habe das aber abgelehnt, worauf schlussendlich auch die russisch-orthodoxe Kirche ihre Teilnahme zurückgezogen habe.

 

“Kirchliche Dimension des hybriden Kriegs”

Der Direktor des Moskauer Carnegie-Zentrums, Dmitrij Trenin, schrieb am Donnerstag in der Moskauer Tageszeitung “Kommersant”, ein neues kirchliches Schisma in der Ukraine könne gefährlicher sein als die Expansion der NATO nach Osten. Seiner Ansicht nach hat die Entscheidung von Patriarch Bartholomaios, zwei Exarchen für Kiew zur Vorbereitung der Autokephalie zu ernennen, einen “evidenten geopolitischen Hintergrund”, der Ökumenische Patriarch habe damit Partei ergriffen. Der seit fünf Jahren andauernde ”hybride Krieg” zwischen Russland und den USA, der sich von Anfang an auch in der Ukraine abgespielt habe, erhalte damit auch eine kirchliche Dimension. Trenin stellte fest, dass kirchliche Schismata – anders als politische Auseinandersetzungen oder sogar Kriege – Jahrhunderte dauern können und oft niemals heilen. Sie könnten sich aber auch auf die politische Sphäre ausweiten, Konflikte und massenhafte Gewalt auslösen. Der Direktor des Carnegie-Zentrums vermutet einen Machtkampf, Konstantinopel wolle eine faktische Führungsrolle der russisch-orthodoxen Kirche in der Weltorthodoxie verhindern, “auch um den Preis eines Schismas”.

 

US-Sonderbotschafter bei Poroschenko

Der US-Sonderbotschafter für Fragen der Religionsfreiheit, Samuel D. Brownback, hat am Mittwoch bei einer Begegnung mit Präsident Petro Poroschenko in Kiew versichert, dass Washington die Ukraine in ihrem “Kampf um Wiederherstellung ihrer Souveränität und territorialen Integrität” weiterhin unterstützen werde. Dabei ließ der Botschafter– ursprünglich ein evangelikaler Christ, der zur katholischen Kirche konvertiert ist – durchblicken, dass man auch die Bestrebungen zur Schaffung einer autokephalen orthodoxen Kirche in der Ukraine unterstützen werde. Poroschenko betonte seinerseits die Bedeutung der Religionsfreiheit als “integraler Bestandteil der ukrainischen Identität”: “Wir sind stolz, einen respektablen Status religiöser Freiheit in der Ukraine zu haben. Diese Freiheit wird von der ukrainischen Verfassung, vom Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Organisationen und durch das traditionell hohe Toleranzniveau in der ukrainischen Gesellschaft garantiert”. Der ukrainische Präsident informierte seinen amerikanischen Gast über die im Hinblick auf die Schaffung einer autokephalen orthodoxen Kirche unternommenen Schritte und dankte ausdrücklich für die Unterstützung Washingtons in diesem Prozess.

 

Kein Visum für Petersburger Metropoliten

Die Spannungen in der orthodoxen Welt haben sich jetzt auch an einer Nebenfront bemerkbar gemacht. Dem Metropoliten von St. Petersburg, Warsonofij (Sudakow), wurde ein griechisches Einreisevisum verweigert. Metropolit Warsonofij – der auch Kanzler des Moskauer Patriarchats ist – wollte auf den Athos pilgern, wie er es in der Vergangenheit schon öfter getan hatte. In Medienberichten war von Zusammenhängen mit der kürzlich erfolgten Ausweisung zweier russischer Diplomaten aus Griechenland die Rede. Diese sei wegen “Einmischung in innere Angelegenheiten” Griechenlands erfolgt, wobei zwei Versionen genannt wurden: Lobbying gegen die Lösung des Namensstreits mit Mazedonien und Bemühungen um die Rückgabe von russischem Kirchenbesitz, der nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches ab 1918 von den griechischen Behörden beschlagnahmt worden war.