Ukraine-Schisma: Am 9. Juli kommt Delegation aus Konstantinopel nach Moskau

Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, begrüßt in „Romfea“-Interview die jüngsten Äußerungen von Patriach Bartholomaios bei der Begegnung mit ukrainischen Bischöfen am 23. Juni, übt aber scharfe Kritik an Metropolit Ioannis (Zizioulas) sowie den ukrainischen Politikern, den Schismatikern und den Unierten

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Foto ©: Uwe und Daniela Wolff (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic)

Athen-Kiew, 29.06.18 (poi) „Überaus bedeutsam“ ist für den Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), die Feststellung des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. bei der Begegnung mit einer Delegation von Hierarchen der autonomen, mit Moskau verbundenen ukrainisch-orthodoxen Kirche am 23. Juni, dass für ihn „ein Schisma ein Schisma“ sei und dass er den umstrittenen selbsternannten „Patriarchen“ von Kiew, Filaret (Denysenko), als Initiator dieses Schismas betrachte. In einem Interview mit der griechischen Website „Romfea“ erinnerte Metropolit Hilarion daran, dass der Ökumenische Patriarch eine „Legalisierung“ des Schismas ausgeschlossen habe. Daher hoffe er, dass das Problem des ukrainischen Schismas auf der Basis des Kirchenrechts gelöst wird, betonte der russische Metropolit. Eine Delegation des Patriarchats von Konstantinopel besuche derzeit die verschiedenen autokephalen orthodoxen Kirchen, um Meinungen über das ukrainische Schisma einzuholen. Am 9. Juli werde diese Delegation auch in Moskau sein. Entscheidend sei, dass ein „richtiggehender Dialog“ zwischen Moskau und Konstantinopel stattfinde, nicht ein Meinungsaustausch über Medien, wie das in den letzten Monaten geschehen sei, unterstrich der Leiter des Außenamts der russisch-orthodoxen Kirche. Er hoffe, dass den Verantwortlichen in den autokephalen Kirchen klar sei, dass jede Unterstützung für die ukrainischen Schismatiker die Einheit der orthodoxen Weltkirche untergraben müsse, weil sich dann auch Schismatiker in anderen Kirchengebieten bestärkt fühlen müssten. Es sei das gemeinsame Interesse der Kirchen von Moskau und Konstantinopel, die Schismatiker wieder in die „orthodoxe Herde“ zurückzubringen. Der Weg für die Rückkehr sei offen. Als Filaret im Dezember des Vorjahrs an die russischen Bischöfe einen Appell zur gegenseitigen Vergebung richtete, habe das Moskauer Patriarchat positiv geantwortet. Aber binnen weniger Tage habe Filaret offensichtlich unter Druck von außen wieder alles zurückgenommen. Das bedeute, dass es in der Ukraine Kräfte gebe, die nicht eine Rückkehr der Schismatiker auf kanonischem Weg wollen, sondern eine Legalisierung und Legitimierung des Schismas.

Filaret (Denysenko) habe viele Leute seit 25 Jahren getäuscht, sagte Metropolit Hilarion in dem Interview. Jetzt  suggeriere er, dass das Ökumenische Patriarchat binnen weniger Tage der von ihm begründeten schismatischen Gruppierung die Autokephalie verleihen werde. Dabei gehe es ihm offensichtlich nur darum, den erschlichenen Patriarchentitel behalten zu können. Umso bedeutsamer sei, dass Bartholomaios I. am 23. Juni auch unmissverständlich klar gemacht habe, dass die Behauptung, der „Tomos“ (Erklärung) zur Verkündigung der ukrainischen Autokephalie sei bereits fertig, von „Feinden der Kirche von Konstantinopel“ stamme. Bei der „Behauptung“ war es um die Erklärung eines Archimandriten in einem ukrainischen TV-Programm gegangen, wonach der „Tomos“ von einem „genialen griechischen Kirchenrechtler, der an der Universität Athen lehrt“, bereits im Detail erarbeitet worden sei.

In dem Interview kritisierte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats sowohl einen der Repräsentanten des Ökumenischen Patriarchats bei der Begegnung vom 23. Juni – den emeritierten Metropoliten Ioannis (Zizioulas) – als auch die griechisch-katholische ukrainische Kirche scharf. Metropolit Ioannis habe die Theorie entwickelt, die Eingliederung der Metropolie von Kiew in das Moskauer Patriarchat sei vor mehr als 300 Jahren nur „auf Zeit“ erfolgt. In den jetzt analysierten 900 Seiten Archivmaterial auf griechisch und russisch finde sich aber keinerlei zeitliche Einschränkung, was die Eingliederung von Kiew in das kanonische Gebiet Moskaus betrifft, diese Eingliederung sei im übrigen auf Grund einer Entscheidung des Ökumenischen Patriarchats geschehen. Zudem sei zu bedenken, dass die Metropolie Kiew vor mehr als 300 Jahren wesentlich kleiner war als die heutige autonome ukrainisch-orthodoxe Kirche, weil „Odessa und Donezk und die Krim nicht dabei waren“. Es gebe keine Ursache, eine neue „ukrainische Ortskirche“ zu gründen, weil es diese mit der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche mit ihren mehr als 12.000 Pfarrgemeinden und 200 Klöstern bereits gebe. Diese Kirche mit ihren Millionen von Gläubigen strebe nicht nach der Autokephalie, wie am 25. Juni von mehr als 70 ukrainischen Bischöfen beim Namenstagsfest von Metropolit Onufrij (Berezowskij) in Kiew betont worden sei.

Diese von der Weltorthodoxie anerkannte kanonische Kirche werde derzeit von den offiziellen ukrainischen Autoritäten diskriminiert, verfolgt und ungeheurem Druck ausgesetzt, bedauerte Metropolit Hilarion. 50 Gotteshäuser seien von den Schismatikern ungesetzlich der kanonischen Kirche entzogen worden. Ziel dieser Druckausübung sei es, die autonome ukrainisch-orthodoxe Kirche zur Akzeptierung des von der Politik in Gang gesetzten Projekts einer „einheitlichen Ortskirche“ in der Ukraine zu veranlassen. Die Art und Weise, wie die ukrainischen Entscheidungsträger dieses Projekt angehen, sei für die Kirche „extrem gefährlich“, weil man im Grunde nichts anderes wolle, als die kanonische Kirche von Moskau loszureißen und sie in die beiden schismatischen Strukturen (Kiewer „Patriarchat“ und sogenannte „Autokephale ukrainisch-orthodoxe Kirche“) zu integrieren. Die „Unierten“ (die griechisch-katholische ukrainische Kirche) seien an dem Projekt interessiert, weil sie eine die angestrebte neue ukrainische Ortskirche in „Einheit mit dem Petrus-Nachfolger“ bringen möchten. Metropolit Hilarion wörtlich: „Es sieht so aus, als ob wir in die Situation von 1596 zurückkehren würden, als die Autoritäten der polnisch-litauischen Doppelrepublik (Rzeczpospolita) das orthodoxe Volk in die Union mit Rom zwangen“.

Hinter dem Projekt einer autokephalen neuen orthodoxen Ortskirche in der Ukraine stünden drei Interessengruppe, so der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats: Die ukrainische Politik mit dem Präsidenten an der Spitze, weil sie auf einen Wahlerfolg hoffe, die Schismatiker, weil sie sich die Legitimierung ihrer Verhaltensweise in den letzten 25 Jahren erwarten und die griechisch-katholische Kirche, weil sie das alte Unionsprojekt verwirklichen wolle.