Ukrainisch-orthodoxe Kirche leidet durch Übergriffe staatlicher Behörden und schismatischerund politisch-radikaler Gruppen

Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte nennt Bereiche, in denen es im Zusammenhang mit der Autokephalie-Bewegung und der Gründung der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ zu bedenklichen Entwicklungen im Hinblick auf die Religionsfreiheit in der Ukraine gekommen ist

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Foto: © Suzanne Plunkett, Chatham House (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic)

New York, 13.03.19 (poi) Bedenkliche Entwicklungen im Hinblick auf die Religionsfreiheit in der Ukraine hat das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR), Michelle Bachelet Jeria, festgestellt. In den Berichten über die Menschenrechtssituation in der Ukraine von Mitte November 2018 bis Mitte Februar 2019 sowie über die Grundfreiheiten „im Vorfeld der ukrainischen Präsidentschafts-, Parlaments- und Lokalwahlen 2019/20“ wird festgestellt, dass die ukrainisch-orthodoxe Kirche (des Moskauer Patriarchats) durch Übergriffe von staatlichen Behörden, schismatischen kirchlichen Gruppen und rechtsextremen politischen Formationen zu leiden hat.

Im Bericht über die Grundfreiheiten werden drei Bereiche benannt, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei, von denen Mitglieder der Hierarchie, des Klerus sowie Laien der ukrainisch-orthodoxen Kirche betroffen waren. Obwohl Spannungen zwischen den orthodoxen Gemeinschaften in der Ukraine auch vor dem bewaffneten Konflikt in der Ostukraine bestanden hätten, seien sie im Zug des Autokephalie-Prozesses und der Gründung der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ signifikant stärker geworden. Im Berichtszeitraum habe das OHCHR zehn Zwischenfälle von Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Kleriker und Pfarrangehörige der ukrainisch-orthodoxen Kirche dokumentiert. Das OHCHR sei in Sorge, dass das derzeitige politische Umfeld die Spannungen verstärken werde, was negative Konsequenzen auch für andere Menschenrechte, einschließlich der Meinungsfreiheit, im Vorfeld der Wahlbewegungen zur Folge haben könnte.

Weiters verweist das OHCHR darauf, dass der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU im Zusammenhang mit der Weigerung der ukrainisch-orthodoxen Kirche, der neu etablierten „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ beizutreten, ohne konkrete Verdachtsmomente eine Serie von Untersuchungen wegen der „Aufhetzung zum religiösen Hass“ gestartet habe, in einem Fall mit dem Zusatzverdacht auf Hochverrat. Im Rahmen dieser Untersuchungen habe das SBU Immobilien der ukrainisch-orthodoxen Kirche und Wohnungen von Mitgliedern der Hierarchie durchsucht. Es habe aber auch in verschiedenen Regionen der Ukraine Verhöre mit Priestern gegeben. Das OHCHR habe bei Gesprächen mit Betroffenen feststellen können, dass sich die Kleriker durch diese Aktionen unter Druck gesetzt fühlten. Auch wenn es keine direkten Drohungen oder Zwang gegeben habe, hätten sie die Maßnahmen als Versuche empfunden, ihre Haltung zur Autokephalie zu beeinflussen.

Schließlich führt das OHCHR auch den Parlamentsbeschluss vom 20. Dezember 2018 an, mit dem die verpflichtende Namensänderung von Religionsgemeinschaften, „deren Zentrum sich in der Russischen Föderation befindet“, eingeleitet werden sollte. Dieses Gesetz ziele in erster Linie auf die Gemeinschaften der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Das Parlament habe zudem „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ Einschränkungen für den Zugang der Kleriker dieser Gemeinschaften zu den Einrichtungen der ukrainischen Armee beschlossen. Dies widerspreche Artikel 18, Absatz 3 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte, da die nationale Sicherheit keinen erlaubten Grund für die Einschränkung der Religions- und Glaubensfreiheit darstelle.

Im Bericht über die Menschenrechtssituation dokumentiert das OHCHR Fälle von Einschüchterung von Mitgliedern der ukrainisch-orthodoxen Kirche in der Zeit des sogenannten „Vereinigungskonzils“ am 15. Dezember 2018 sowie von gewaltsamer Übernahme von ukrainisch-orthodoxen Pfarrgemeinden durch die neue „Orthodoxe Kirche der Ukraine“.

Das OHCHR fordert die ukrainische Regierung auf, öffentlich alle gewaltsamen Vorfälle zu verurteilen und zu untersuchen, und die internationalen Verpflichtungen der Ukraine im Hinblick auf die Menschenrechte – einschließlich der Religionsfreiheit – einzuhalten.