
Athen, 07.10.19 (poi) Die ukrainische Kirchenkrise holt jetzt auch die orthodoxe Kirche von Griechenland ein. Zunächst hatte es am 4. Oktober geheißen, die Frage einer Anerkennung der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ werde nicht auf der Tagesordnung der für 8. bis 11. Oktober angesetzten ordentlichen Bischofsversammlung in Athen stehen. Am Montag erging dann an die orthodoxen Bischöfe ein Schreiben, in dem zu einer „außerordentlichen Bischofsversammlung“ am 12. Oktober eingeladen wurde, einziger Tagesordnungspunkt: Bericht von Erzbischof Hieronymos von Athen über die Autokephalie der Kirche der Ukraine. Bereits im August hatte es in einem Kommunique des Ständigen Heiligen Synods der Kirche von Griechenland geheißen: „Aufgrund des Vorschlags der beiden Synodalkomitees für dogmatische Fragen bzw. für interorthodoxe und zwischenchristliche Beziehungen zur Ukraine-Frage anerkennt der Ständige Heilige Synod das kanonische Recht des Ökumenischen Patriarchen zur Verleihung der Autokephalie, aber auch das Privileg des Primas der Kirche von Griechenland, die Frage einer Anerkennung der ‚Orthodoxen Kirche der Ukraine‘ weiter zu behandeln“. Erzbischof Hieronymos (Liapis) erklärte in der Sitzung des Heiligen Synods offensichtlich, er könne diese Verantwortung nicht allein tragen und werde die Ukraine-Frage daher der Vollversammlung im Oktober zur Entscheidung vorlegen. Bereits damals hatte es Gerüchte gegeben, Erzbischof Hieronymos werde im Oktober die Behandlung der Ukraine-Frage außerhalb der Tagesordnung beantragen. Es gebe „zu viel Druck von allen Seiten“, überall drohe das Schisma. Jetzt hat Erzbischof Hieronymos formell zu einer „außerordentlichen Bischofsversammlung“ eingeladen.
Bisher hat keine einzige orthodoxe autokephale Kirche die neubegründete „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ anerkannt, der vom Ökumenischen Patriarchat zum Jahresbeginn die Autokephalie verliehen worden war. Umso größer ist der Druck auf die Kirche von Griechenland, diesen Schritt zu setzen. Die Kirche von Griechenland ist vielfach mit dem Ökumenischen Patriarchat verbunden, durch Geschichte, Tradition und die griechische Sprache. Dazu kommt die Tatsache, dass ein Teil des griechischen Territoriums – die sogenannten „neuen Gebiete“ – kirchlich nach wie vor zum Ökumenischen Patriarchat gehört, wenngleich diese Gebiete seit 1928 (bzw. 1947) von der Kirche von Griechenland verwaltet werden. Das betrifft insbesondere Kreta, den Dodekanes mit Rhodos (bis 1947 italienisch), und weite Gebiete Nordgriechenlands (vom Epirus bis Thrakien). 64 Metropolien unterstehen kanonisch dem Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, 36 Metropolien gehören zu den „neuen Gebieten“. Im zwölfköpfigen Ständigen Heiligen Synod kommen je sechs Mitglieder aus dem kanonischen Gebiet des Erzbischofs von Athen und aus den „neuen Gebieten“. In der griechischen kirchlichen „Blogosphäre“ wird daher vielfach die Ansicht vertreten, Konstantinopel würde über die Hierarchen aus den „neuen Gebieten“, die „eigentlich“ noch dem Ökumenischen Patriarchat unterstehen, subtilen Druck ausüben. Bereits im Jänner hätten die Hierarchen aus den „neuen Gebieten“ Sendschreiben aus Konstantinopel erhalten, dass sie sich für die Anerkennung der neubegründeten „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ aussprechen und in der Bischofsversammlung entsprechend abstimmen sollten.
Die Ukraine-Frage wird in der Kirche von Griechenland seit Monaten heftig diskutiert. So hatte es Mitte September ein Treffen zwischen Metropolit Maximos (Papagiannis) von Ioannina und dem russisch-orthodoxen Erzbischof Amvrosij gegeben, der kurz zuvor zum Abt des berühmten Moskauer Sretenskij-Klosters (und Rektor der damit verbundenen Theologischen Akademie) ernannt worden war. Metropolit Maximos verwies dabei auf die Anstrengungen des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., um die „Einheit und Freundschaft“ mit der russischen Kirche zu bewahren, aber diese Bemühungen seien nicht gewürdigt worden, das Moskauer Patriarchat habe den Ökumenischen Patriarchen beim Konzil von Kreta im Stich gelassen. Erzbischof Amvrosij erinnerte daran, dass die Kirchen von Antiochien, Georgien und Bulgarien bereits beschlossen hatten, am Konzil nicht teilzunehmen. Daraufhin habe Moskau für eine „vorkonziliare Versammlung“ plädiert, um die Sorgen dieser Kirchen zu hören und die „panorthodoxe Natur“ des Konzils zu retten, aber Patriarch Bartholomaios habe diesen Schritt verweigert.
Bei dem Gespräch in Ioannina ging es auch um das Problem der Verleihung der Autokephalie. In den vorkonziliaren Dokumenten habe es bereits volle Einigung aller autokephalen Kirchen gegeben, erinnerte Erzbischof Amvrosij. Die einzige offene Frage sei das Problem der Form der Unterzeichnung gewesen. Der russisch-orthodoxe Metropolit Hilarion habe sich gegen das Verlangen Konstantinopels gestellt, den „Tomos“ über die Verleihung der Autokephalie jeweils in „privilegierter Position“ zu unterzeichnen. Acht autokephale Kirchen hätten sich dieser Sichtweise angeschlossen, die anderen hielten zu Konstantinopel.
Im Gespräch der beiden hochrangigen Hierarchen ging es aber auch um das Verhältnis der Orthodoxen zu den anderen Christen. Erzbischof Amvrosij verwies auf „scharfe Reaktionen“ in Russland auf ökumenische Aktionen Konstantinopels, Metropolit Maximos erinnerte dagegen daran, dass es im Hinblick auf Formulierungen in der gemeinsamen Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill im Februar 2016 in Havanna orthodoxe Kritik gegeben habe.
Metropolit Maximos bat seinen russischen Gast, in Moskau seine Ablehnung der Entscheidung zum Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft der russischen Kirche mit dem Ökumenischen Patriarchat zu deponieren. „Niemand möchte ein Schisma und wir sind froh, dass das Ökumenische Patriarchat im Hinblick auf die Kommuniongemeinschaft nicht die gleichen Maßnahmen wie die russische Kirche verhängt hat“, betonte der Metropolit von Ioannina. Die russische Kirche solle sich „zurückhalten“, um „die orthodoxe Einheit zu wahren“. Der Metropolit betonte seine Hoffnung, dass die Spaltung durch Geduld und „im Geist des Respekts“ überwunden werden könne. Zum Abschluss der Begegnung tauschten die beiden Hierarchen Geschenke und Einladungen zum Besuch von Russland bzw. Griechenland in Zukunft aus.