Ukrainische Orthodoxie: Auseinandersetzung zwischen Konstantinopel und Moskau spitzt sich zu

Ökumenisches Patriarchat ernannte zwei seiner ukrainischen Bischöfe aus Nordamerika zu Exarchen in Kiew – Scharfe Reaktion der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats

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Foto: © СоборЛуцькГол.jpg: kotykS (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported)

Kiew-Moskau-Konstantinopel, 08.09.18 (poi) Die Auseinandersetzung der Patriarchate Konstantinopel und Moskau um die Zukunft der orthodoxen Kirche in der Ukraine spitzt sich zu. Am Freitag veröffentlichte der Heilige Synod des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel eine Mitteilung, in der es wörtlich heißt: “Im Rahmen der Vorbereitungen für die Zuerkennung der Autokephalie an die orthodoxe Kirche in der Ukraine hat das Ökumenische Patriarchat als seine Exarchen in Kiew Erzbischof Daniel (Zelinskyj) von Pamphilos und Bischof Hilarion (Rudnyk) von Edmonton ernannt. Beide dienen den ukrainischen orthodoxen Gläubigen in den USA und Kanada unter dem Ökumenischen Patriarchat”. Das Außenamt der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats hat auf die Mitteilung aus Konstantinopel sofort mit einem geharnischten Kommunique reagiert, in dem wörtlich erklärt wird: “Mit dem Segen des Metropoliten von Kiew und der ganzen Ukraine, Onufrij (Berezowskij), ist das Außenamt der ukrainisch-orthodoxen Kirche zur Feststellung bevollmächtigt, dass die Ernennung der Exarchen eine grobe Verletzung des kanonischen Territoriums der ukrainisch-orthodoxen Kirche darstellt. Diese Entscheidung des Patriarchats von Konstantinopel widerspricht Kanon 2 des Zweiten Ökumenischen Konzils (das im Jahr 381 in Konstantinopel abgehalten wurde, Red.): ‘Ohne Einladung dürfen Bischöfe nicht außerhalb der Grenzen ihrer Diözese tätig werden’. Die Ernennung der Exarchen in Kiew erfolgte ohne Kenntis Seiner Seligkeit, des Metropoliten Onufrij von Kiew und der ganzen Ukraine als des einzigen kanonischen Bischofs von Kiew. Die Verantwortung für die möglichen negativen Konsequenzen dieser Handlung wird das Patriarchat von Konstantinopel zu tragen haben”.

Schärfer drückte sich der Leiter des Pressedienstes der ukrainisch-orthodoxen Kirche, Wasilij Anisimow, aus. Jegliche Aktion des Patriarchen von Konstantinopel, die nicht mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche vereinbart sei – ob es sich nun um die Aufhebung der kirchenrechtlichen Sanktionen gegen den exkommunizierten “Patriarchen” Filaret (Denisenko), die Schaffung paralleler kirchlicher Strukturen oder die Zuerkennung der Autonomie oder der Autokephalie an schismatische Gruppierungen handle – , werde von den orthodoxen Gläubigen in der Ukraine “extrem negativ” aufgenommen werden. Wörtlich meinte Anisimow: “Das wird zu einer neuen Welle der Konfrontation führen und die sozio-politische Unruhe in der Ukraine verstärken, die derzeit eine der schärfsten sozio-ökonomischen Krisen durchmacht und in den blutigen Konflikt im Donbas verstrickt ist”.

Die Feststellung von Bartholomaios I. in seiner Rede vor den Bischöfen des Ökumenischen Patriarchats aus aller Welt (“kleine Synaxis”), Konstantinopel müsse das Schisma in der Ukraine überwinden, weil Moskau, das die aktuelle Situation in der Ukraine zu verantworten habe, nicht imstande sei, die Sache zu lösen, wies Anisimow entschieden zurück. Der Leiter des Pressedienstes zitierte sogar die in Kiew “herumschwirrenden Gerüchte” über eine angebliche Millionen-Dollar-Spende der ukrainischen Politik als Gegengabe für einen “Tomos” aus Konstantinopel, der die Autokephalie einer orthodoxen Kirche in der Ukraine proklamiert.

In Moskau wurde zunächst verhalten reagiert. Zunächst veröffentlichte nur der Leiter der Synodalabteilung für Kirche, Gesellschaft und Beziehungen zu den Medien, Wladimir Legojda (ein Laie), eine kurze Erklärung: “Dass der Patriarch von Konstantinopel zwei seiner bischöflichen Repräsentanten in der Ukraine ohne Vereinbarung mit dem Patriarchen von Moskau und ganz Russland und dem Metropoliten von Kiew und der ganzen Ukraine ernannt hat, ist nichts anderes als ein beispiellos grober Eingriff in das kanonische Territorium des Moskauer Patriarchats. Diese Aktionen können nicht unbeantwortet bleiben”.

Allerdings hatte bereits am Tag vor der Veröffentlichung der Ernennung der beiden konstantinopolitanischen Exarchen für die Ukraine ein Mitglied der biblisch-theologischen Kommission des Moskauer Patriarchats, Erzpriester Andrej Nowikow, überaus scharfe Kritik an Konstantinopel geübt, vor allem an der Rede von Bartholomaios I. bei der “kleinen Synaxis”. Alles, was dort geäußert worden sei, dass die anderen orthodoxen Kirchen ohne Konstantinopel wie Schafe ohne Hirten seien, dass Konstantinopel besondere Jurisdiktionsrechte über die ganze Kirche habe und ihre Einheit sichere, all dies wiederhole “die römisch-katholischen Ansichten über die Rolle des Papstes in der Kirche”, sagte Nowikow im Gespräch mit “Interfax-Religion” und fügte hinzu: “Das ist pure Häresie”. Freilich habe es den Trend zu einem sogenannten “östlichen Papismus” in Konstantinopel immer schon gegeben, aber das sei die Sache einzelner Bischöfe oder Theologen gewesen. Jetzt aber sei das bei der “Synaxis”, der Versammlung der Bischöfe des Ökumenischen Patriarchats in aller Welt, gesagt worden “und niemand hat protestiert”. Für das Moskauer Patriarchat werde es sehr schwer sein, weiterhin mit jenen Leuten zu kommunizieren, die der orthodoxen Kirche das römisch-katholische Modell auferlegen wollen.

Derzeit ist noch unklar, welche Schritte die beiden neuernannten Exarchen des Ökumenischen Patriarchats in der Ukraine setzen werden. Metropolit Antonij (Scharba), das Konstantinopel unterstehende Oberhaupt der ukrainischen orthodoxen Kirche in den USA, hat am 19. August in einem Interview mit dem ukrainischen Programm der “Voice of America” eine mögliche Vorgangsweise skizziert. Wahrscheinlich werde ein allukrainisches Konzil einberufen werden, zu dem Repräsentanten aller drei orthodoxen Gemeinschaften eingeladen werden: der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, des “Kiewer Patriarchats” und der kleinen sogenannten autokephalen ukrainischen orthodoxen Kirche. Dieses Konzil müsse dann einen Patriarchen wählen, den Konstantinopel anerkenne und dem dann der “Tomos” mit der Zuerkennung der Autokephalie überreicht werden könne. Unter keinen Umständen könne der “Tomos” dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko oder sonst einem Politiker übergeben werden.

Metropolit Antonij sagte in dem Interview ausdrücklich, es sei “noch nicht sicher”, dass es überhaupt einen “Tomos” geben werde. Poroschenko sei von seinem Besuch im Phanar bei Bartholomaios I. “mit etwas übertriebenem Enthusiasmus zurückgekehrt”. Er habe konkrete Daten genannt, “aber in der byzantinischen Welt geht nichts so schnell”. Vielleicht werde es eine Entscheidung bis Jahresende geben. Es könne aber auch sein, dass die Sache einem Panorthodoxen Konzil übertragen werde. Dann könne es wesentlich länger dauern.

Der im Bundesstaat New Jersey residierende Metropolit deutete an, er sei sich bewusst, dass es nach einer Autokephalie-Erklärung neue Spaltungen in der Ukraine geben werde. Das sei auch anderswo – zum Beispiel in Bulgarien – nach der Proklamation der Autokephalie so gewesen. Aber das werde das Leben der Kirche nicht für immer unterminieren.