Vatikan verbindet Diplomatie und ökumenisches Engagement

Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin vor den in Rom versammelten europäischen Bischöfen der katholischen Ostkirchen – Auch die Kardinäle Kurt Koch und Angelo Bagnasco nahmen zur „ökumenischen Mission der katholischen Ostkirchen im Europa von heute“ Stellung

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Foto ©: Dnalor 01 (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Vatikanstadt, 13.09.19 (poi) „Den Frieden dorthin zu bringen versuchen, wo bisher Zwietracht herrschte, die Vergebung als einzig wirksame Medizin nach Jahrhunderten der gegenseitigen Verständnislosigkeit betrachten und nie vergessen, dass man der Nächstenliebe nicht ohne der Wahrheit begegnen kann“: So charakterisierte Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin vor den auf Initiative des „Rates der Europäischen Bischofskonferenzen“ (CCEE) in Rom versammelten europäischen Bischöfen der katholischen Ostkirchen die Linie des Heiligen Stuhls sowohl im Bereich der Diplomatie als auch des ökumenischen Engagements. Wie sehr Diplomatie und ökumenisches Engagement eng verbunden sind, machte Parolin an zwei Beispielen deutlich: Der Ausrufung des  Fasten- und Gebetstages für Syrien und den Nahen Osten am 7. September 2013 und der Begegnung zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill am 12. Februar 2016 in Havanna. Das Havanna-Treffen zeige, wie Papst Franziskus bestrebt gewesen sei, durch eine Geste, die im Grund einen Bruch mit allen bis dahin üblichen Gepflogenheiten bedeutete, einen Veränderungsprozess einzuleiten. Allen seien die kritischen Vorbehalte bewusst gewesen, aber „mit einem dem Papst sehr lieben Ausdruck“ sei es darum gegangen, einen Prozess einzuleiten und „etwas, das bis dahin nie geschehen war, m ökumenischen Bereich ins Leben treten zu lassen“.

Im Hinblick auf die Rolle der katholischen Ostkirchen (früher oft „unierte“ Kirchen genannt) im aktuellen geopolitischen Zusammenhang sprach der Kardinal-Staatssekretär von einer „prophetischen Grenze“. Die katholischen Ostkirchen seien wegen ihrer geographischen Lage wahrhaft „prophetische Grenzpositionen“, weil sie fast alle in „heißen Zonen“ angesiedelt seien, wo es Konflikte und Risikos für diese Christen gebe. Auf Grund ihrer Geschichte hätten diese Kirchen immer eine tiefe Liebe zum Apostolischen Stuhl bezeugt und diese Treue zu Rom oft mit Blut bezahlt. Die katholischen Ostkirchen seien aber „kostbar“ im ökumenischen Dialog, weil sie „in der Begegnungszone mit den orthodoxen Kirchen leben“.

In diesem Zusammenhang ging der Kardinal-Staatssekretär – wie die italienische katholische Nachrichtenagentur SIR berichtet – auch auf das „heikle Problem“ der Beziehungen mit der russisch-orthodoxen Kirche ein. Von diesen Beziehungen könne man nicht absehen, sowohl im Hinblick auf die geopolitische Rolle der Russischen Föderation in der internationalen Szene als auch deshalb, weil die russisch-orthodoxe Kirche einen „spirituellen und theologischen Reichtum darstellt, den man nicht beiseitelassen kann“. Daraus ergebe sich der Auftrag, den Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche nicht zu unterbrechen.

Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Kirchen, Kardinal Kurt Koch, zeichnete vor den europäischen Bischöfen der katholischen Ostkirchen ein sehr realistisches Bild der Ökumene. Trotz aller positiven Entwicklungen könne man nicht verschweigen, dass das eigentliche Ziel der ökumenischen Bewegung – die Wiederherstellung der sichtbaren Einheit der Kirche, die volle kirchliche Einheit – bisher noch nicht erreicht sei und dass es viel länger dauern werde, dieses Ziel zu erreichen, als man sich vor 50 Jahren vorgestellt habe. Diese schmerzliche Situation habe damit zu tun, dass die Definition des „Ziels des Ökumenismus“ zu den am meisten kontrovers diskutierten ökumenischen Fragen der Gegenwart zählt. Die Gesprächsteilnehmer hätten nicht ein „gemeinsames ökumenisches Ziel“ vor Augen, sondern würden vielmehr das Konzept der Einheit der Kirche in sehr unterschiedlicher Weise interpretieren. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Gesprächspartner in sehr unterschiedliche Richtungen auf den Weg machen, um in der Folge festzustellen, dass man sich noch weiter voneinander entfernt habe als vorher. Daher stünden die Kirchen heute – so der Schweizer Kurienkardinal – vor einem neuen Problem: „Das Ziel der ökumenischen Bewegung ist immer undeutlicher geworden, es gibt keinen Konsens über die Einheit der Kirche, die man wiederherstellen will“.

Der CCEE-Präsident, Kardinal Angelo Bagnasco, ging aber sehr entschlossen auf das Motto des Treffens in Rom ein: „Die ökumenische Mission der katholischen Ostkirchen im Europa von heute“. „Wir sollen nicht allein, sondern gemeinsam gehen, dieses einfache Wort ist die Bedingung für einen Weg, der wirklich ökumenisch sein will“. In diesem Zusammenhang könne man das Leitmotiv des ökumenischen Engagements erkennen, wie es Papst Franziskus sehe: „Gemeinsam gehen, gemeinsam beten, gemeinsam arbeiten“. Der Weg müsse aber eine „Straße der Gemeinschaft“ sein, betonte Bagnasco. Gemeinschaft sei nicht nur ein Gefühl, sondern eine „Route der Nächstenliebe und der Wahrheit“. Es sei eine „herausfordernde, aber fruchtbare“ Straße, die Demut, Staunen, Achtsamkeit erfordere: „Nicht wir sind die Protagonisten der Gemeinschaft, es ist der Herr durch Seinen Geist“.

Vor den europäischen Bischöfen der katholischen Ostkirchen kam auch der ukrainische griechisch-katholische Großerzbischof von Kiew und Halytsch (Galizien), Swjatoslaw Schewtschuk, zu Wort. Er rief den Heiligen Geist an, damit „die Wunden der Vergangenheit“ geheilt werden. Schewtschuk brachte aber auch eine Sorge zum Ausdruck: „Mit der Überwindung des ‚Uniatismus‘ als Modell zur Erreichung der vollen und sichtbaren Einheit der Kirche wird heute auch die Grundlage der Existenz der katholischen Ostkirchen in Frage gestellt oder sogar negiert“.