Wie die Christen in den von Islamisten kontrollierten Dörfern am Orontes Weihnachten feiern

In den früher stark christlich geprägten Ortschaften darf nichts „Sichtbares“ an das Christentum erinnern – Zwei Franziskaner halten die Stellung in den Dörfern der Provinz Idlib - Briefwechsel mit Papst Franziskus

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Foto: © Jamen Schahoud at English Wikipedia (Quelle: Wikimedia; Lizenz: GNU Free Documentation License)

Damaskus, 23.12.18 (poi) Das Weihnachtsfest der Christen in der syrischen Provinz Idlib, der letzten Enklave der auch vom Westen unterstützten islamistischen Milizionäre, schildert eine Reportage der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR. Die Christen in dem vom „Hayat Tahrir al-Sham“ kontrollierten Gebiet müssen die Sondersteuer für Christen („Dschizya“) zahlen, an den Pfarrkirchen von Knayeh, Yacoubieh und den anderen katholischen Orten am Orontes-Fluss  mussten die Kreuze demontiert werden, die Marienstatuen auf den öffentlichen Plätzen wurden geschändet und zerstört. „Jegliches christliche Gebet in der Öffentlichkeit ist untersagt. Wir dürfen nur in der Kirche feiern, wo wir auch die Krippe aufgestellt haben. Es wurde uns ausdrücklich verboten, im Freien Christbäume aufzustellen, Lichtergirlanden (wie sie im christlichen Orient üblich sind) zu montieren oder Blumen zu arrangieren“, berichtet der Franziskanerpater Hanna Jallouf, der für die Pfarre Knayeh zuständig ist. Die Kinder und Jugendlichen hätten schon während der Weihnachtsnovene Geschenke erhalten – vor allem Süßigkeiten und Kleidungsstücke -, „um sie von dem feindlichen Klima abzulenken, das uns Christen vor allem zu Weihnachten in den von den Milizen kontrollierten Gebieten umgibt“.

In der Provinz Idlib den christlichen Glauben zu leben, sei nicht leicht, betont der Franziskanerpater. Das gelte vor allem zu Weihnachten (und natürlich auch zu Ostern). P. Hanna war im Jahr 2014 zusammen mit 16 Pfarrangehörigen von Milizionären der „Al Nusra“-Front entführt worden, erst nach Tagen wurden die Entführten wieder freigelassen. Nach wie vor hätten die Christen Angst vor Entführungen, aber es gebe auch „Mut und Klugheit“. Am 24., 25. und 26. Dezember werden in den Dörfern am Orontes die Heiligen Messen am Tage gefeiert, an den Kirchentüren stehen christliche Jugendliche und kontrollieren. Sobald der Gottesdienst begonnen hat, werden die Kirchentüren geschlossen und zugesperrt. Nach Angaben des Franziskaners hat die Besetzung der Dörfer am Orontes durch die Islamisten einen „ökumenischen“ Nebeneffekt gehabt: „Seit 2014 feiern Katholiken, Orthodoxe, Armenier in den Dörfern die großen Feste wie Weihnachten und Ostern gemeinsam. Die Situation ist kritisch und das Leid hat uns noch mehr geeint“.

Die fundamentalistische Spielart des Islam, die in der Provinz Idlib von den Milizionären praktiziert und aufgedrängt wird, verbietet es den Muslimen, den Christen zu deren Festen zu gratulieren, was im alten Syrien viele Jahrhunderte hindurch eine Selbstverständlichkeit war.

„Wie Schafe unter den Wölfen“

Die Fassade der katholischen Kirche in Knayeh zeigt schon seit acht Jahren keinen Hinweis mehr darauf, dass es sich um ein christliches Gotteshaus handelt. Auch die Glocken dürfen seit dem Einmarsch der islamistischen Milizionäre nicht mehr läuten. Der 66-jährige Franziskanerpater Hanna Jallouf hält mit seinem Mitbruder P. Louai Bsharat am Orontes die Stellung. Die meisten anderen Priester der Gegend sind geflüchtet, nachdem die Kirchen von den Islamisten niedergebrannt oder zerstört wurden. Die beiden Franziskaner leben in den beiden Konventen von Knayeh und Yacoubieh. Ihre Namen wurden international bekannt, als sie einen gemeinsamen Brief an Papst Franziskus schrieben und Ende November Antwort erhielten. In dem Antwortbrief schrieb Papst Franziskus unter anderem: „Ich bin euch und den christlichen Gemeinschaften eurer Gegend nahe, die ihren Schmerz im Glauben an Jesus Christus leben: Wieviel Leid, wieviel Armut, wieviel Schmerz. Es ist Jesus Christus selbst, der leidet, der arm ist, der aus seiner Heimat vertrieben wird…In euch und in den Bewohnern des geliebten Landes Syrien sehen wir den leidenden Christus“. Es seien die Märtyrer, die das Reich Gottes voranbringen, sie seien der „wahre Ruhm der Kirche“ und ihre Hoffnung.

Er gedenke bei der Messfeier immer der Verfolgten, so der Papst, damit sich der Schmerz in jene Hoffnung verwandle, die der Apostel Paulus im Brief an die Römer beschreibt: „Wer kann uns trennen von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? In der Schrift steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; wir werden behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“.

Die beiden Patres hatten in ihrem Brief geschrieben, dass die Christen in der Provinz Idlib wie „Schafe unter den Wölfen“ leben müssen. Die islamistischen Fundamentalisten hätten die christlichen Friedhöfe verwüstet, sie hätten verboten, Gottesdienst außerhalb der Kirchen zu feiern und alle äußeren Zeichen des christlichen Glaubens kassiert, Kreuze, Glocken, Statuen und Ordensgewänder. Trotzdem fühlten sie gleichsam „die Hand Gottes über sich“, schrieben die beiden Franziskaner.

Die Worte von Papst Franziskus hätten ihnen neue Kraft gegeben, in einer „schmutzigen Wirklichkeit“ zu leben, stellten die Patres jetzt fest: „Wir versuchen, gelassen zu bleiben, im  Bewusstsein, dass wir in nur 40 Kilometer Entfernung von Antiochien leben, wo die an Jesus Christus glaubenden Menschen erstmals mit dem Namen Christen bezeichnet wurden. Wir sind Erben dieser Gemeinschaft und wir fühlen die Nähe des Herrn“.

Was die Zukunft bringen wird, wissen die beiden Franziskaner nicht. Die in der Provinz Idlib verschanzten Islamisten hätten sich bis an die Zähne bewaffnet, weil sie fürchten, ihre Hochburg zu verlieren. Dementsprechend sind die Lebensbedingungen für die Christen. P. Hanna nennt ein sprechendes Beispiel: „Früher war man mit dem Auto in eineinhalb Stunden in Aleppo. Heute braucht man zwei Tage. Zuerst muss man an die türkische Grenze fahren, schauen, dass man in die von den Kurden kontrollierte Zone Nordsyriens kommt, dann kann man den Euphrat überqueren und sich Aleppo nähern, alles in allem 500 Kilometer, voller Gefahren und Check points“.

„Wir leben im Käfig der Islamisten“, sagt P. Hanna: „Es gibt nur eine Straße, die hinausführt, das ist die Straße des Weihnachtsfestes. Die Geburt Jesu gib uns Hoffnung und erleuchtet unseren von Schmerz und Gefahr gekennzeichneten Weg. Im Käfig unserer Gegend sind wir wie kleine Vögel, die die Schönheiten Gottes besingen“.  Die Hoffnung der Christen am Orontes sei es, dass Weihnachten die Gitterstäbe des Käfigs durchlässiger macht und dass es endlich „Frieden, Freiheit und Rechte für alle“ gibt. „Dafür beten wir in der Sicherheit, dass Gott den Schrei der Leidenden erhört“, so die beiden Franziskaner.