Zwei Jahre nach Havanna: Internationale Beachtung für Syrien-Symposion unter Vorsitz von Kardinal Schönborn

Eindringlicher Friedensappell des Wiener Erzbischofs im Hinblick auf den von Papst Franziskus für 23. Februar ausgerufenen Gebets- und Fasttag – Hauptreferenten des Symposion aus Anlass des 2. Jahrestags des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill waren Kardinal Koch und Metropolit Hilarion

0
722

Wien, 13.02.18 (poi) Internationale Beachtung hat das Symposion zum 2. Jahrestag der historischen Havanna-Begegnung zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill gefunden, das unter dem Vorsitz von Kardinal Christoph Schönborn am Montag im Wiener Erzbischöflichen Palais stattfand. Das Symposion mit Metropolit Hilarion (Alfejew) und Kardinal Kurt Koch als Hauptreferenten stand ganz im Zeichen des Ringens um Frieden in Syrien. Kardinal Schönborn twitterte am Dienstag im Hinblick auf den von Papst Franziskus für 23. Februar ausgerufenen Gebets- und Fasttag um Frieden: „Beten und fasten wir gemeinsam für ein Ende des Krieges in Syrien“.

Beim Symposion hatte der Wiener Erzbischof an den Präzedenzfall vom 1. September 2013 erinnert, als Papst Franziskus einen weltweiten Tag des Betens und Fastens ausrief, um die geplanten Bombardements auf Syrien (und damit eine Ausweitung des Krieges) zu verhindern. „Dass der Krieg noch immer andauert, ist eine Tragödie“, betonte Kardinal Schönborn. Die Welt erwarte nicht nur Worte, sondern Taten. Solange in den Nahen Osten Waffen geliefert werden, sei Frieden schwierig. Aber es gebe auch die „unbesiegbare Kraft“ der Hoffnung, die den Menschen „Geduld im Leiden“ verleihe und den Mut, das durch Krieg und Hass Zerstörte wieder aufzubauen.

Das Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill am 12. Februar 2016 habe einen neuen Anfang gesetzt, sagte der Kardinal und erinnerte an Artikel 3 der in Havanna veröffentlichten gemeinsamen Erklärung: „Da wir uns weit weg von den alten Auseinandersetzungen der Alten Welt treffen, empfinden wir mit besonderem Nachdruck die Notwendigkeit einer gemeinsamen Arbeit zwischen Katholiken und Orthodoxen“. Von Kuba aus, dem „Symbol der Hoffnungen der Neuen Welt“, hätten Papst und Patriarch eine Botschaft der Hoffnung an die Völker gerichtet. Dabei habe sich das Augenmerk (Artikel 8 der gemeinsamen Erklärung) auf jene Länder im Nahen Osten gerichtet, wo die Christen Opfer von Verfolgung sind und eine massenhafte Abwanderung der Christen aus jenem Gebiet stattfindet, in dem sich der christliche Glaube einst auszubreiten begonnen hatte. Zugleich hätten sich Papst Franziskus und Patriarch Kyrill vor dem Martyrium jener Christen verbeugt, „die auf Kosten ihres eigenen Lebens die Wahrheit des Evangeliums bezeugt haben“ und die Märtyrer als „Unterpfand der Einheit der Christen“ bezeichnet.

Die große Herausforderung für die Zukunft sei es, die politischen Entscheidungsträger für die Sache des Friedens in der nahöstlichen Region zu gewinnen, stellte der Wiener Erzbischof fest. Deshalb habe auch das von ihm begründete „International Catholic Legislators Network“/ICLN das Gespräch mit den orientalischen Patriarchen gesucht. Aus seinen Kontakten mit den führenden Persönlichkeiten der nahöstlichen Kirchen berichtete Kardinal Schönborn, dass viele Christen sich von den westlichen Ländern im Stich gelassen fühlen, während das Moskauer Patriarchat und die russische Regierung als „ernsthafte Hilfe für die bedrängten Christen der Region“ gesehen werden.

Metropolit Hilarion – einst russischer Bischof in Wien und jetzt Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats – bezeichnete seinerseits die Christenverfolgung als Hauptmotiv dafür, dass die Begegnung zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill auf Kuba zustande kam. Heute seien die meisten Terroristen in Syrien und im Irak besiegt. Trotzdem sei es zu früh, um zu sagen, dass die Christen im Orient jetzt in Sicherheit seien. Der Metropolit verwies auf den Granatenbeschuss jener Damaszener Stadtviertel, wo sich die Kathedralen und Hauptsitze der christlichen Kirchen befinden, in den letzten Wochen und erwähnte ausdrücklich den maronitischen Erzbischof von Damaskus, Samir Nassar, der am 8. Jänner bei einer solchen Attacke aus dem von „Rebellen“ beherrschten Vorort Ghouta um ein Haar dem Tod entging. Der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats erinnerte aber auch an die beiden im April 2013 entführten Metropoliten von Aleppo, Boulos Yazigi und Mar Gregorios Youhanna Ibrahim: „Über ihr Schicksal seit der Entführung wissen wir nichts, aber wir hoffen auf das Wunder der Rückkehr zu ihrer Herde und beten dafür“.

Die römisch-katholische und die russisch-orthodoxe Kirche hätten in vielen Fragen – einschließlich der Situation der Christen im Nahen Osten – eine gemeinsame Position, sagte der Metropolit. Deshalb hätten Papst und Patriarch (in Artikel 7 der gemeinsamen Erklärung) betont: „Unser christliches Gewissen und unsere pastorale Verantwortung erlauben es uns nicht, angesichts der Herausforderungen, die eine gemeinsame Antwort erfordern, untätig zu bleiben“. Seit dem Treffen von Havanna sei die bilaterale Kooperation der beiden Kirchen wesentlich intensiviert worden. Das Treffen von Havanna habe aber auch die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Verfolgung der Christen im Nahen Osten gelenkt.

Metropolit Hilarion unterstrich, dass es jetzt um den Wiederaufbau der kirchlichen und sozialen Infrastruktur gehe. Die Wiederherstellung des normalen Lebens in Syrien sei für das Moskauer Patriarchat heute eine „Priorität in der interkonfessionellen Kooperation“. Das Moskauer Patriarchat setze sich neben der materiellen Hilfe auch für den interreligiösen Frieden in der Region und für nationale Versöhnung in Syrien ein.

Kardinal Koch würdigte die Tradition Wiens als Ort des Dialogs und nahm auf die Initiativen von Kardinal Franz König, insbesondere die Stiftung „Pro Oriente“, Bezug. Einen Nahen Osten ohne Christen könne und dürfe man sich nicht vorstellen, unterstrich der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Das wäre nicht nur ein ungeheurer religiöser und kultureller Verlust, die Präsenz der Christen sei auch von entscheidender Bedeutung für Frieden und Stabilität im Nahen Osten. Auch Kardinal Koch unterstrich die Notwendigkeit des Wiederaufbaus, wobei es nicht nur um die Rekonstruktion von Städten, Häusern, Kirchen gehe, sondern auch um die psychische und geistige Infrastruktur der Menschen. Die Christen müssten in diesem Zusammenhang „Handwerker des Friedens“ sein. Je schwieriger die Situation sei, desto notwendiger sei auch der interreligiöse Dialog.

Eindringlich erinnerte Kardinal Koch daran, dass die Kirche erneut zur Märtyrerkirche geworden sei. Indem das Christentum die Gewalt verurteile, ziehe es offenbar auch die Gewalt an. Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen unterstrich die „Ökumene der Märtyrer“: „In ihren Märtyrern ist die Kirche ungeteilt“. Der moderne Ökumenismus verdanke viele Impulse der gemeinsamen Erfahrung des Leidens in Dachau oder auf den Solowki-Inseln, jenen Orten, an denen die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts unterschiedslos Christen aller Konfessionen einkerkerten. In diesem Zusammenhang erinnerte der Kardinal an die vielfach vergessene Tatsache, dass die russisch-orthodoxe Kirche in den 1960er und 1970er Jahren den Katholiken in der damaligen Sowjetunion „eucharistische Gastfreundschaft“ gewährte. In den letzten Jahrzehnten sei gerade der Nahe Osten eine Region der intensiven ökumenischen Beziehungen der unterschiedslos verfolgten und bedrängten Christen geworden. Dies könne eine Anregung für die Christen in aller Welt sein.

Im Rahmen des Symposions bezeugten zwei Bischöfe aus dem Nahen Osten die Situation. Der armenisch-apostolische Bischof von Damaskus, Armash Nalbandian, berichtete aus seiner kleinen Gemeinschaft, dass 200 Todesopfer zu beklagen seien, 120 armenische Christen wurden entführt, 1.200 Wohnhäuser der Armenier und 17 Kirchen wurden zerstört: „Wir fühlten uns oft verlassen, auch von den Schwesterkirchen. Wir hofften, dass sie ihre Regierungen motivieren, damit die Gewalt in Syrien aufhört“. Die Bewahrung der Präsenz der Christen in Syrien sei von großer historischer Bedeutung. Auch in den letzten Wochen habe seine Gemeinde – deren Kirche nur 500 Meter von der „roten Linie“ zwischen Regierungstruppen und „Rebellen“ am östlichen Stadtrand von Damaskus entfernt ist – wieder viel gelitten. Jeden Tag hätten die „Rebellen“ 60 bis 70 Granaten abgefeuert; die armenischen Schulen habe man eine Woche schließen müssen, um die Kinder zu schützen. Nalbandian: „Was wir brauchen, ist ein Zeichen der Hoffnung, dass wir nicht vergessen sind“.

Der maronitische Bischof der libanesischen Stadt Zahle, Joseph Mouawad, schilderte die dramatische Flüchtlingssituation im Libanon. Mit den vier Millionen Libanesen leben in dem kleinen Land zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien und hunderttausende Palästinenser. Der Libanon könne diese Last auf die Dauer nicht tragen, die einzige Lösung sei die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Der Bischof erinnerte daran, dass die verfassungsmäßige Ordnung im Libanon nicht gewahrt ist; zwei Jahre habe es keinen Präsidenten gegeben, im Mai würden die Parlamentswahlen mit fünf Jahren Verspätung stattfinden. Die Wirtschaft liege darnieder. Die internationale Gemeinschaft müsse endlich den Krieg in Syrien stoppen. Es gehe aber auch darum, in den nahöstlichen Ländern das Prinzip der Staatsbürgerschaft mit gleichen Rechten für alle durchzusetzen und mit Verfassungen, durch die Religions- und Gewissensfreiheit wirksam geschützt sind.

Zwei Grußwörter wurden bei dem Symposion im Erzbischöflichen Palais – an dem u.a. auch der evangelische Bischof Michael Bünker, der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) und der antiochenisch-orthodoxe Metropolit für Westeuropa, Ignatius (al-Houshi) teilnahmen – mit großer Aufmerksamkeit registriert. Der russische Botschafter Dmitrij Ljubinskij bezeichnete Wien als europäisches Zentrum, das für die internationale Politik wichtig sei und für den Dialog mehr und mehr an Bedeutung gewinne. Das Symposion sei eine wichtige Konferenz, die seine Regierung unterstütze. Der Präsident des internationalen päpstlichen Hilfswerks „Kirche in Not“, Johannes Heereman, berichtete über positive Erfahrungen aus der Ninive-Ebene: Der Prozentsatz der rückkehrwilligen christlichen Vertriebenen habe sich innerhalb weniger Monate von 3,3 Prozent auf 43 Prozent erhöht, nachdem es dem Hilfswerk gelungen war, einen Anfang für den Wiederaufbau zu setzen. Ein Zeichen der Hoffnung sei aber auch das gemeinsam mit dem Moskauer Patriarchat in Gang gesetzte Syrien-Projekt, das die Restaurierung von Kirchen, aber auch den Einsatz für christliche Familien und für christliche Werte umfasse.

“Für das dritte Jahrtausend”

Bei einer Pressekonferenz unmittelbar vor dem Symposion umriss Kardinal Koch auch die derzeitige Situation im offiziellen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche. Er verwies auf die im September 2016 in Chieti verabschiedete gemeinsame Erklärung der offiziellen Dialogkommission zum Thema „Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis im Dienst an der Einheit der Kirche“. Derzeit beschäftige sich die Dialogkommission mit der Entwicklung des Verhältnisses von Synodalität und Primat in katholischer und orthodoxer Kirche im zweiten Jahrtausend „und dann schauen wir, wie das im dritten Jahrtausend aussehen soll“. Es gehe darum, darüber nachzudenken, was Kirche ist.

Zweifellos müssten sich die Orthodoxen der Herausforderung der Einheit im eigenen Bereich stellen, „aber wir haben auch in der katholischen Kirche Spannungen“. Die Orthodoxie müsse ihr Prinzip der Synodalität und die katholische Kirche ihr Prinzip des Primats einbringen. Die Stärken beider Prinzipien müssten zusammengedacht werden, erläuterte der Kardinal.

Im Hinblick auf den 2. Jahrestag des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill stellte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen fest, dass es mit der russisch-orthodoxen Kirche gute Projekte im kulturellen Bereich gibt, etwa Ausstellungen, Konzerte, Studentenaustausch. Von besonderer Bedeutung sei die „Pilgerfahrt“ von Reliquien des Heiligen Nikolaus durch Russland gewesen, weil dies die Möglichkeit geboten habe, die Gläubigen an der Basis in die ökumenische Annäherung miteinzubeziehen. Auch Metropolit Hilarion unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit im kulturellen Bereich, sie helfe den Gläubigen beider Kirchen, die Kultur der jeweils „Anderen“ besser zu verstehen.

Auf die Frage nach der Möglichkeit eines Papstbesuchs in Russland antworteten Kardinal Koch und Metropolit Hilarion übereinstimmend, dass es einer „gemeinsamen Entscheidung“ bedürfe, um festzulegen, „ob, wann und wo“ es ein nächstes Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill geben soll.

Kardinal Schönborn bezeichnete das Konzert russischer Kirchenmusik im Konzerthaus bei der Pressekonferenz als “unglaublich berührenden, außergewöhnlichen Abend”. Als das von Metropolit Hilarion komponierte “Stabat Mater” erklang – “ein Herzstück der lateinischen Frömmigkeitstradition, vertont von einem russisch-orthodoxen Bischof und auf lateinisch gesungen von einem russischen Chor” – habe man gespürt, “wie die Musik Brücken baut”. Metropolit Hilarion ergänzte, dass Musik eine universelle Sprache sei, die keine Übersetzung braucht.

Liturgie in der Nikolauskathedrale

Am Sonntag, 11. Februar, hatte Metropolit Hilarion in der russisch-orthodoxen Nikolauskathedrale in Konzelebration mit Erzbischof Antonij (Sewrjuk) die Göttliche Liturgie gefeiert. In seiner Predigt erinnerte der Metropolit daran, dass es für ihn eine große Freude bedeute, die Kathedrale wieder zu sehen, in der er sechs Jahre als Bischof gedient hatte. Bei seinem jetzigen Aufenthalt in Wien gehe es darum, im Sinn der Vereinbarungen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill vor zwei Jahren in Havanna zu überlegen, wie orthodoxe und katholische Christen gemeinsam ihren Glaubensgeschwistern beistehen können, die im Nahen Osten heftigsten Verfolgungen ausgesetzt sind. Dabei verwies der Metropolit auf die Worte der Bergpredigt aus dem Matthäus-Evangelium, die am Sonntag nach der orthodoxen Leseordnung die Evangeliums-Lesung bildete. Von den Christen werde verlangt, so zu leben, wie Jesus Christus es dargelegt habe.