Wien: Neues Glanzlicht für die syrisch-orthodoxe Kirchenstruktur

In Favoriten wurde am Sonntag der neue Gemeinde- und Kultursaal unter der Mor Aphrem-Kirche von Metropolit Mor Dionysios eingeweiht - Chorbischof Aydin betont Dank seiner Kirche an die Kardinäle Franz König und Christoph Schönborn

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Foto: © Thomas Ledl (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Austria)

Wien, 20.10.19 (poi) Weder Verfolgung in den Ursprungsländern noch neuer Wohlstand in der Diaspora können die syrisch-orthodoxen Christen von ihrer angestammten Kirche trennen. Dies betonte der für Österreich zuständige syrisch-orthodoxe Metropolit Mor Dionysios Isa Gürbüz am Sonntag bei der Einweihung des neuen Gemeinde- und Kultursaals unter der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Aphrem (St. Ephraim) in Wien-Favoriten. Der Metropolit dankte allen Gemeindemitgliedern und den Repräsentanten öffentlicher Stellen, die an der Erstellung und Gestaltung des mehr als 1.100 Quadratmeter großen Saals  – der größten Räumlichkeit einer kirchlichen Institution in Favoriten – mitgewirkt haben. Sein besonderer Dank galt Chorbischof Emanuel Aydin, der seit 47 Jahren die syrisch-orthodoxe Seelsorge in Wien aufbaut. Aydin sei der erste Priester der syrisch-orthodoxen Kirche, der in Europa eine kirchliche Struktur für die christlichen Migranten aus den nahöstlichen Ländern entwickelt habe, Mor Aphrem sei ein „Zentrum für die Christen der syrischen Tradition in Österreich“, so der Metropolit.

Chorbischof Aydin sagte in seiner Ansprache, er sei ergriffen, einen weiteren Höhepunkt der Entwicklung der syrisch-orthodoxen Kirche in Österreich mitfeiern zu können. In einer Zeit des voranschreitenden Säkularismus, ja bisweilen der Feindseligkeit gegen das Christentum in einer hedonistisch gewordenen Gesellschaft sei es keineswegs selbstverständlich, „wenn eine christliche Gemeinde aufbaut statt abzubauen“. Er erinnere sich an die Situation vor 47 Jahren, als ihn der damalige Patriarch seiner Kirche, Mor Ignatius Yaqub III., beauftragte, als Patriarchalvikar in  Wien ein syrisch-orthodoxes Zentrum zu gründen, berichtete Aydin: „Wir waren nur rund 20 Familien, aber der Patriarch ermutigte mich durch einen visionären Auftrag: Errichte hier eine aktive Gemeinde,  denn wir wollen einen großen Beitrag für den von Kardinal Franz König angestoßenen ökumenischen Dialogprozess im Rahmen der Stiftung ‚Pro Oriente‘ leisten“.

Der erste Gründungsschritt sei das kleine Gemeindezentrum in Wien-Lainz gewesen, dem 1974 Kardinal König die alte Lainzer Pfarrkirche übergab. Der größte Schritt zu einem starken Zentrum  sei dann der Erwerb der Kirche „Maria vom Berge Karmel“ der beschuhten Karmeliten mit Kloster, Kindergarten und Park am Stefan Fadinger-Platz in Favoriten gewesen, sagte sich der Chorbischof. Für die orinetalischen Christen seien „schwíerige, ja dramatische Jahre“ gefolgt, denn die Gräuel des mörderischen Kriegs in Syrien und der IS-Terroristen hätten weitreichende Konsequenzen gehabt: „Wir hatten zahlreiche Flüchtlinge aus den Krisengebieten aufzunehmen und zu versorgen“. Das sei insbesondere dank des Ausbaus des Gemeindezentrums am Stefan Fadinger-Platz gelungen. Auch derzeit würden rund 100 Personen im ehemaligen Karmelitenkloster beherbergt, das jetzt „Marienheim“ genannt wird.

Eine Kirchengemeinde  sei immer sowohl wirksame Solidar- und Hilfsgemeinschaft als auch spirituelles Zentrum der Anbetung Gottes und des gemeinsamen Glaubensvollzugs, betonte Emanuel Aydin. Im alltäglichen Leben der Gemeinde würden viele Leistungen erbracht, „von denen auch der Staat, die Gesellschaft, die Stadt, in der wir leben“, profitieren. Jugendarbeit, Sozialarbeit, Gemeinschaftspflege, Integrations- und Kulturleistungen seien von beträchtlicher Bedeutung. All diesen Aufgaben diene der neue Gemeindesaal – vom Katechismusunterricht für Kinder und Jugendliche über Pfadfinderaktivitäten und Musikveranstaltungen bis zu Hochzeiten, Festen und Feiern vielfältigster Art.

Seinen Dank an Bischof Mor Dionysios, an den Pfarrgemeinderat und die vielfältigen Gruppen der Gemeinde verband der syrisch-orthodoxe Chorbischof mit einem starken ökumenischen Akzent. Wörtlich sagte Aydin: „Ich möchte an dieser Stelle mit Dank des verewigten Kardinals  Franz König gedenken, den wir als Bischof der Ökumene begriffen haben und den wir seinerzeit ‚Bischof aller Christen in Wien‘ nannten. Wir sehen den jetzigen Bischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, in dieser Tradition“.

Abschließend betonte der Chorbischof die Verbundenheit der syrisch-orthodoxen Christen mit ihrer neuen Heimat Österreich und ihre Bereitschaft zur Integration: „Wir haben eine große historische Tradition, den Staat, in dem wir leben, als Heimat anzuerkennen, ihn zu lieben und seinen Gesetzen treu zu sein. Unsere neue Heimat bedarf dieser Wertschätzung, denn Österreich hat uns herzlich umarmt. Das große Ziel all unserer religiösen und gesellschaftlichen Aktivitäten ist die Erhaltung und Festigung des Friedens zwischen allen Menschen in Österreich“.

An der Eröffnung des neuen Gemeindesaals nach der feierlichen Liturgie in der Kirche Mor Aphrem nahmen viele Repräsentanten des öffentlichen Lebens teil: „Pro Oriente“-Vizepräsident Prof. i.R. Rudolf Prokschi (der neugewählte Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich) vertrat Kardinal Schönborn, der (sozialdemokratische) Favoritner Bezirksvorsteher Marcus Franz den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, Daniel Soudek das Kultusamt der Republik, aus der Politik waren auch der Favoritner VP-Nationalratsabgeordnete Nico Marchetti und der Vorsitzende der „Plattform Christdemokratie“, Jan Ledochowski, anwesend. Bezirksvorsteher Franz würdigte die multikonfessionelle Situation Favoritens: „Wo der Glaube groß ist, lässt sich viel erreichen“. Die Stadt Wien sei bereit, die Arbeit der religiösen Gemeinschaften wirksam zu unterstützen. Abg z NR Marchetti bezeichnete die Gemeinde Mor Aphrem als „leuchtendes Beispiel“ dafür, dass man „die eigene Kultur in tiefer Verbundenheit mit der neuen Heimat leben kann“.

Zum Auftakt der Eröffnung des neuen Gemeindesaals sang der Chor von Mor Aphrem das Vater Unser auf aramäisch, der Sprache Jesu. Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Sanherib Toma und die Mitglieder des Bauausschusses erläuterten die Bauarbeiten und deren Kosten, die bisher 815.000 Euro betrugen. Den musikalischen Abschluss des Festakts gestaltete P. Aphrem Gavriye, der neue Pfarrer von Mor Aphrem, der aus Hasankeyf (aramäisch: Hesn Kayfa) stammt, einer früher überwiegend christlichen Stadt in Südostanatolien, die mittlerweile weltberühmt geworden ist, weil sie trotz ihrer kostbaren architektonischen  Schätze derzeit einem gigantischen Stauseeprojekt zum Opfer fällt.