Moskauer Patriarchat verstärkt seine Präsenz in Wien

Bischof Antonij offiziell zum Diözesanbischof erhoben und mit dem Titel eines Erzbischofs ausgezeichnet – Rangerhöhung erfolgt wenige Tage, bevor Wien zum zentralen Schauplatz der Feiern zum 2. Jahrestag des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. wird – Festkonzert mit russischer Sakralmusik am 10. Februar im Wiener Konzerthaus, Symposion mit Kardinal Koch und Metropolit Hilarion am 12. Februar im Erzbischöflichen Palais

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Foto ©: Claudia Schneider

Wien-Moskau, 02.02.18 (poi) Das Moskauer Patriarchat verstärkt seine Präsenz in Wien. Am Donnerstag wurde der (erst im Dezember ernannte) Administrator der russisch-orthodoxen Eparchie Wien und Österreich, Bischof Antonij (Sewrjuk), offiziell zum Diözesanbischof erhoben und mit dem Titel eines Erzbischofs ausgezeichnet. Der Erlass wurde beim Kleinen Einzug während des feierlichen Gottesdienstes aus Anlass des Jahrestages der Inthronisierung von Patriarch Kyrill I. in der Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale verlesen. Die Rangerhöhung könnte bedeuten, dass Erzbischof Antonij auch nach Wien übersiedelt und die russisch-orthodoxe Eparchie für Österreich zum ersten Mal seit 2009 – als der damalige Bischof Hilarion (Alfejew) die Leitung des Außenamts des Moskauer Patriarchats übernahm – wieder einen residierenden Bischof erhält. Die personelle Veränderung erfolgt wenige Tage bevor Wien Schauplatz der Feiern zum 2. Jahrestag des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. ist (die Feiern zum 1. Jahrestag hatten 2017 an der Universität Fribourg in der Schweiz stattgefunden). Metropolit Hilarion hatte vor kurzem Kardinal Christoph Schönborn gebeten, die Feiern zum 2. Jahrestag in Wien zu ermöglichen. Damit wird die Bedeutung Wiens für den Dialog zwischen römisch-katholischer und russisch-orthodoxer Kirche betont.

Die Jahrestag-Feiern haben zwei Akzente: Am Samstag, 10. Februar, findet im Konzerthaus ein Konzert russischer Kirchenmusik unter dem Ehrenschutz von Kardinal Schönborn statt. Das Konzert des „Großen Staatlichen Tschaikowskij-Symphonieorchesters“ und des „Moskauer Synodalchors“ um 19:30 Uhr steht unter der Leitung von Wladimir Fedosejew. Zu Gehör gebracht werden Werke von Nikolai Rimski-Korsakow, Sergej Rachmaninow, Igor Strawinskij und Metropolit Hilarion (aufgeführt werden zwei seiner Werke für Chor und Orchester, das „Stabat Mater“ und die „Wallfahrtslieder“).

Das Tschaikowskij-Symphonieorchester ist eines der ältesten und berühmtesten Orchester Russlands und für seinen besonderen Klang bekannt. Immer wieder hat es im Wiener Musikverein und anderen führenden Konzertsälen der Welt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Fedosejev steht dem Orchester seit 1974 vor und war von 1997 bis 2004 auch der Chefdirigent der Wiener Symphoniker.  Der Moskauer Synodalchor wurde 2010 vom Dirigenten Aleksij Puzakow wiedergegründet und vereint liturgische Praxis mit höchster musikalischer Professionalität. Der Chor hat auch schon im Petersdom, in der Kathedrale von Santiago de Compostela, in der Sagrada Familia in Barcelona sowie in Konzertsälen von Moskau bis London gesungen. Im letzten Jahr konnte man einen umjubelten Auftritt beim Brucknerfest in Oberösterreich erleben. Die Sopranistin Elena Ewsejewa, die auf allen führenden Bühnen der Welt Hause ist, ergänzt das Ensemble.

„Die universelle Sprache der Musik erlaubt es uns, langfristige und nachhaltige Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Staaten, Nationalitäten und Religionen herzustellen und zu vertiefen“, betont Metropolit Hilarion. Das Konzert ist eine der ersten Veranstaltungen im österreichisch-russischen „Jahr der Musik“ 2018, es ist auch Teil der „Tage der Russischen Religiösen Kultur“. Es wird vom russischen Kulturministerium, der Russischen Botschaft in Österreich und dem Russischen Kulturinstitut in Wien unterstützt. „Der Auftritt des Moskauer Synodalchors und des Tschaikowskij-Symphonieorchesters unter Maestro Wladimir Fedosejew wird ein außergewöhnliches Musikerlebnis sein“, so der russische Botschafter Dmitrij Ljubinskij, der sich über diese Intensivierung der kulturellen Beziehungen zwischen Russland und Österreich freut. (Kartenverkauf im Wiener Konzerthaus: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/55593; Informationen:  presse@russischeskulturinstitut.at).

Am Montag, 12. Februar, findet im Wiener Erzbischöflichen Palais, um 16 Uhr ein Symposion statt, bei dem die jüngsten Fortschritte und Probleme im Dialog zwischen russisch-orthodoxer und römisch-katholischer Kirche analysiert werden. Die Hauptreferate halten der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, und Metropolit Hilarion.

Am Sonntag, 11. Februar, feiert Metropolit Hilarion in der russisch-orthodoxen Nikolauskathedrale in der Jauresgasse die Göttliche Liturgie, in jenem Sakralraum, in dem er als Bischof von Wien so oft zelebriert hatte. Es wird erwartet, dass Erzbischof Antonij konzelebrieren wird. Erzbischof Antonij stammt aus Twer, wo er am 12. Oktober 1984 geboren wurde. Nach der Gymnasialzeit am Lyceum in Twer studierte er am Priesterseminar in St. Petersburg und arbeitete in der internationalen orthodoxen Jugendorganisation „Syndesmos“ mit. 2007 absolvierte er ein Studienjahr in Finnland und war anschließend als Referent im Außenamt des Moskauer Patriarchats tätig. 2009/10 war er persönlicher Sekretär von Patriarch Kyrill I., im März 2009 erhielt er die Mönchsweihe, am 3. April 2010 weihte ihn Patriarch Kyrill in der Moskauer Erlöserkathedrale zum Priester. Ab 2011 war er Pfarrer der russisch-orthodoxen Gemeinde in Rom und Rektor der Katharinenkirche im Park der römischen Villa Abamelek. Am 26. Oktober 2015 wurde er zum Bischof von Bogorodsk geweiht und zum Administrator der russisch-orthodoxen Gemeinden in Italien sowie zum Vorsitzenden der Verwaltung der Institutionen des Moskauer Patriarchats im Ausland ernannt. Die Verantwortung für die russisch-orthodoxen Gemeinden in Italien behielt er bis zum August 2017. Seit 24. Dezember 2015 war er auch Mitglied des Obersten Kirchenrates des Moskauer Patriarchats.

Die russisch-orthodoxe Kirche kann in Wien auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurückblicken, die eng mit der russischen diplomatischen Vertretung verbunden war, ab der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auch mit der Präsenz großer aristokratischer Familien (Razumovsky usw.). Das Herz der russischen Diözese ist die Nikolauskathedrale im 3. Wiener Bezirk. Sie wurde in den Jahren 1893 bis 1899 nach Plänen des russischen Architekten Grigorij I. Kotow (1859-1942) erbaut. Zar Alexander III. schenkte der Kathedrale schon zu Baubeginn vier eindrucksvolle Granitsäulen und einen prachtvollen Luster. Durch die politischen Umstände ab 1914 war die Kathedrale viele Jahre geschlossen oder zweckentfremdet. Erst 1946 wurde sie wieder für den Gottesdienst geöffnet. Bei der Restaurierung in den Jahren 2003 bis 2008 erfolgte unter Leitung des in Russland hochangesehenen Malermönchs Archimandrit Zenon auch die Ausmalung der Oberkirche.

1962 wurde die russisch-orthodoxe Eparchie Wien und Österreich kirchenrechtlich errichtet. Die staatliche Anerkennung der russisch-orthodoxen Diözese erfolgte im März 2012. Zuvor hatte sich das Moskauer Patriarchat seit vielen Jahren um die staatliche Anerkennung seiner österreichischen Eparchie bemüht. Diese Anerkennung wurde durch die 2011 erfolgte Novellierung des Orthodoxengesetzes möglich. Patriarch Kyrill I. hatte die im Hinblick auf die österreichischen staatskirchenrechtlichen Vorschriften novellierten Statuten der Diözese am 15. Dezember 2011 genehmigt.

Erzbischof Antonij ist aus seiner römischen Zeit wohlvertraut mit der katholischen Kirche. An der katholischen Bischofssynode über die Neuevangelisierung im Oktober 2012 nahm er als Gastdelegierter des Moskauer Patriarchats teil. In einem Interview im November 2012 stellte Antonij Sewrjuk fest, dass die römisch-katholische Kirche der orthodoxen Kirche im Hinblick auf viele gesellschaftliche Fragen am nächsten stehe.

Katalog der in Syrien zerstörten Kirchen und Klöster

Bei dem Symposion im Wiener Erzbischöflichen Palais wird auch Teil 1 des gemeinsam von orthodoxen und katholischen Experten erstellten illustrierten Katalogs der während des Syrien-Kriegs zerstörten oder beschädigten Kirchen und Klöster präsentiert werden. Dies teilte Stefan Igumnow vom Außenamt des Moskauer Patriarchats am Freitag bei einer Pressekonferenz in der russischen Hauptstadt mit. Die Idee des Katalogs war nach einer gemeinsamen Fact-finding-mission orthodoxer und katholischer Geistlicher aus Russland in Syrien entwickelt worden. Die gemeinsame Fact-finding-mission war eine der praktischen Konsequenzen des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. in Havanna.