Auseinandersetzung um die Entfernung von Gedenkkreuzen aus dem Wald von Kuropaty bei Minsk

In dem Forstgelände wurden in stalinistischer Zeit zehntausende Menschen vom NKWD ermordet – Erzbischof Kondrusiewicz und Literatur-Nobelpreisträgerin Aleksijewitsch legten Protest gegen die Entfernung der Gedenkkreuze ein

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Foto: © Tobster (Quelle: Wikimedia; Lizenz: public domain)

Minsk, 07.04.19 (poi) In Weißrussland ist eine heftige Auseinandersetzung über die Entfernung von Gedenkkreuzen aus dem Wald von Kuropaty bei Minsk im Gang. In Kuropaty waren in stalinistischer Zeit vom NKWD (Volkskommissariat des Inneren) im Zeitraum von1937 bis 1941 zehntausende Menschen ermordet worden, die Zahl der Opfer könnte mehr als 100.000 betragen haben. Die sowjetischen Behörden hielten die Wahrheit jahrzehntelang verborgen. Erst in der Zeit von „Glasnost“ und „Perestrojka“ kam die Wahrheit ans Licht, in den späten 1980er-Jahren wurden mehr als 500 Massengräber entdeckt. 1988 kamen Zehntausende nach Kuropaty, um der Opfer zu gedenken. Damals wurde auch damit begonnen, im Wald Kreuze zu errichten. Am Donnerstag tauchten Berichte auf, von Oppositionellen im Sommer des Vorjahrs errichtete Kreuze seien von den staatlichen Forstbehörden entfernt worden. Der katholische Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, und die Literatur-Nobelpreisträgerin von 2015, Swetlana Aleksijewitsch, legten Protest ein. Daraufhin erklärte das weißrussische Forstministerium am Freitag, im Zuge von Bonifizierungsarbeiten des Waldes würden selbstverständlich nicht alle Kreuze entfernt, sondern nur „ohne Erlaubnis errichtete Strukturen“. Ziel der Bonifizierungsarbeiten sei es, den Wald als würdige Gedenkstätte zu gestalten.

Der 15 Hektar große Wald ist eine der zahlreichen Mordstätten des kommunistischen Regimes und des nationalsozialistischen Regimes in Belarus. In den 1980er-Jahren wurde das Gedenken an Kuropaty von der weißrussischen Nationalbewegung (insbesondere von der Bewegung „Wiedergeburt“) in Dienst genommen, obwohl unter den Opfern des NKWD nicht nur Weißrussen, sondern auch zahlreiche Polen, Russen, Juden und Litauer waren. Am 20. September 2001, am Tag der damaligen Wiederwahl von Präsident Alexander Lukaschenko, begann eine sechswöchige Auseinandersetzung zwischen Aktivisten und staatlichen Forstarbeitern mit Bulldozern. Dabei wurden viele Kreuze zerstört, es gab Gerichtsverfahren und Verurteilungen.

Auch heuer wurden mehrere Akte des Vandalismus im Wald von Kuropaty registriert. Ein von US-Präsident Bill Clinton 1994 gestiftetes Denkmal wurde beschädigt, mehrere Gräber wurden durch herabwürdigende Schmierereien entweiht. Präsident Lukaschenko hatte bereits im Vorjahr angeordnet, den Wald zu „reinigen“. Heuer fügte er hinzu, dass es keine nicht genehmigten öffentlichen Veranstaltungen mehr an der Gedenkstätte geben sollte, „auch keine Demonstrationen mit Kreuzen“.