Russischer Bischof schlägt für Bischofskonferenzen in der Diaspora freie Wahl des Vorsitzenden vor

Administrator der russisch-orthodoxen Eparchie Berlin hält Beschlüsse der 4. Panorthodoxen Konferenz von Chambesy, die den Vorsitz in den Diaspora-Bischofskonferenzen immer Konstantinopel zuschrieb, für nicht mehr den Anforderungen entsprechend

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Foto: © Kremlin.ru (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported)

Berlin, 21.03.19 (poi) Um die durch die Auseinandersetzung zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel blockierte orthodoxe Zusammenarbeit in Deutschland wieder in Gang zu bringen, hat der Administrator der russisch-orthodoxen Eparchie Berlin, Tichon (Zaitsew), einen aufsehenerregenden Vorschlag unterbreitet: „Ausschließlich im Blick auf das Wohl der Kirche“ plädiert der Bischof – der auch den Titel eines „Erzbischofs von Podolsk“ trägt – dafür, die Frage einer regelmäßigen Rotation beziehungsweise der freien Wahl des Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) zu prüfen. Auf diese Weise könnten alle orthodoxen Bischöfe in Deutschland, unabhängig von ihrer Jurisdiktion, weiterhin zusammenarbeiten. Auf Grund der Beschlüsse der 4. Panorthodoxen Konferenz von Chambesy im Jahr 2009 werden derzeit in der weltweiten Diaspora die Vorsitzenden der damals neu gebildeten orthodoxen Bischofskonferenzen immer vom Patriarchat von Konstantinopel gestellt. Im Zug der Auseinandersetzung mit Konstantinopel über die Kirche in der Ukraine hat aber das Moskauer Patriarchat die Mitarbeit in allen Gremien eingestellt, in denen Bischöfe oder Priester des Ökumenischen Patriarchats den Vorsitz oder den stellvertretenden Vorsitz innehaben. Damit hat sich für die orthodoxen Bischofskonferenzen in der Diaspora eine prekäre Situation ergeben.

Bischof Tichon betrachtet seinen Vorschlag in einer Situation, „in der die Machtansprüche des Patriarchats von Konstantinopel auf der einen Waagschale und die Sorge um die Einheit und das Wohlergehen der orthodoxen Kirche auf der anderen“ liegen, als die „einzig mögliche Option“. Das Prinzip der Wahl des Vorsitzenden für einen begrenzten Zeitraum sei in Deutschland bereits in der Satzung der Vorgängerorganisation der OBKD – der „Kommission der orthodoxen Kirchen in Deutschland“ (KOKiD) – verankert gewesen.

In seinem in die Form eines Briefes an alle orthodoxen Bischöfe in Deutschland gekleideten Vorschlag nahm Bischof Tichon auf die jüngste Sitzung des Diözesanrates seiner Eparchie Bezug. Die Mitglieder des Rates hätten nach eingehender Prüfung der aktuellen Situation festgestellt, dass die Aktionen von Patriarch Bartholomaios I. in der Ukraine und seine „mangelnde Bereitschaft, auf die synodale Stimme vieler autokephaler Kirchen zu hören“, auch die „zuvor konstruktive interorthodoxe Zusammenarbeit in Deutschland“ erheblich erschwert hätten. In „Anteilnahme am Schmerz der kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche“, die jetzt von Seiten des ukrainischen Staates und der „Schismatiker“ verfolgt werde und im Gehorsam gegenüber den Entscheidungen des Moskauer Heiligen Synods hätten sich die russisch-orthodoxen Hierarchen und Priester gezwungen gesehen, ihre Teilnahme an Sitzungen unter konstantinopolitanischem Vorsitz einzustellen.

Das sei umso trauriger, als in den letzten fast 25 Jahren dank der „brüderlichen Gemeinschaft und Zusammenarbeit“ der Bischöfe und Priester der orthodoxen Diözesen in Deutschland viel erreicht werden konnte, so Bischof Tichon. Er nannte in seinem Brief an die anderen orthodoxen Bischöfe u.a. die Leistungen in den Bereichen schulischer Bildung und beim Religionsunterricht, beim Sozialdienst, in der Jugend- und Medienarbeit sowie auf dem Feld der Zusammenarbeit mit Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche sowie anderen religiösen Organisationen.

Daher sei es notwendig, alles zu tun, „um nicht nur das Erreichte nicht zu verlieren, sondern das weiter zu mehren, was im Lauf der Jahrzehnte aufgebaut wurde“, unterstrich Bischof Tichon. Eine der Möglichkeiten, um die fruchtbare Zusammenarbeit fortzusetzen, sei die Rückkehr „zur wahren Synodalität der Kirche,  die auf den Prinzipien der hierarchischen Gleichheit und der brüderlichen Liebe beruhe. Sein Vorschlag für eine neue Vorsitzregelung sei durch die „tatsächlichen Bedürfnisse der orthodoxen Kirche in der Diaspora“ ausgelöst worden. Die Beschlüsse von Chambesy 2009 entsprächen nicht mehr den Anforderungen der Kirche, wie sie sich in dieser Zeit „und vor allem im vergangenen Jahr“ entwickelt hätten.

Abschließend lud der russisch-orthodoxe Bischof seine „lieben bischöflichen Mitbrüder“ ein, das Gebet für die Einheit der Heiligen Orthodoxie und für die Bewahrung der Kirche vor Spaltungen und Schismata zu verstärken.