„Die Ukraine ist ein ökumenisches Laboratorium“

Griechisch-katholischer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk traf in Rom mit beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern zusammen – Begegnung auch mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI.

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Foto: © Олег Чупа (Quelle: Wikimedia; Lizenz: GNU Free Documentation License)

Rom, 28.02.19 (poi) Die Ukraine sei ein „ökumenisches Laboratorium“: Diese Worte von Papst Johannes Paul II. zitierte der ukrainische griechisch-katholische Großerzbischof von Kiew und Halytsch, Swjatoslaw Schewtschuk, am 26. Februar in Rom bei einem Treffen mit beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern, unter ihnen die ukrainische Botschafterin Tatjana Ischewska. Die Situation in der Ukraine sei durch drei „Wunden“ gekennzeichnet, sagte Schewtschuk: Kommunismus, Korruption und Konflikt (im Donbass). Im Hinblick auf die Ökumene verwies der Großerzbischof auf die Existenz des Allukrainischen Kirchenrats, dem alle Konfessionen des Landes angehören. Der Kirchenrat ermögliche in vielen Bereichen eine „wahrhafte Zusammenarbeit“ der Konfessionen. Vor kurzem habe der Vorstand des Kirchenrats eine gemeinsame Pilgerfahrt ins Heilige Land unternommen.

Bei der Begegnung mit den Botschaftern nahm Schewtschuk auch zur Situation um die neugegründete „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ Stellung. „Wir suchen Freundschaft mit allen, aber nicht alle wollen unsere Freunde sein“, stellte der griechisch-katholische Großerzbischof fest. Er habe das Thema auch mit Kardinal Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, besprochen. Zweifellos könne die katholische Kirche nicht unter den ersten sein, die die von Konstantinopel aus begründete neue Kirche anerkennen.

Schewtschuk appellierte an die Botschafter, bei ihren Regierungen auf Solidarität mit der Ukraine zu dringen. Ein gutes Beispiel sei die von Papst Franziskus initiierte Aktion „Der Papst für die Ukraine“. Das Land müsse die „Revolution der Würde“ vor fünf Jahren schrittweise umsetzen. Auch für die Staat-Kirche-Beziehungen gelte es einen „dritten Weg“ zu finden, jenseits des russischen Modells, demzufolge der Staat letzter Garant der christlichen Werte ist, und des liberalen Modells des laizistischen Europa. Er plädiere für das in der ukrainischen Geschichte verankerte Modell der Hagia Sophia, das Modell einer Kirche, „die sich niemals der Macht beugt“. In der Hagia Sophia in Kiew – die heute ein Museum ist – werde die griechisch-katholische Kirche daher am kommenden 7. April das Fest Mariä Verkündigung begehen (allerdings hat der „Ehrenpatriarch“ Filaret Denisenko den Großerzbischof eindringlich aufgefordert, auf die Zelebration in einer früheren orthodoxen Kathedrale zu verzichten).

Ebenfalls am 26. Februar hatte der Großerzbischof den emeritierten Papst Benedikt XVI. im Vatikan aufgesucht. Im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur „ACI Stampa“ sagte Schewtschuk danach, er habe Benedikt XVI. als wohlinformiert über die ukrainische Situation erlebt, der emeritierte Papst habe ihm gesagt, dass er „jeden Tag für den Frieden in der Ukraine“ bete. Im Verlauf der mehr als halbstündigen Begegnung kam das Gespräch auch auf den Amtsvorgänger Schewtschuks, Kardinal Lubomyr Husar, der am 26. Februar seinen 86. Geburtstag gehabt hätte (er starb mit 84 Jahren im Mai 2017). Obwohl das Amt des Großerzbischofs nach ostkirchlichem Brauch auf Lebenszeit gilt, hatte sich Husar im Jahr 2011 im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation zum Rücktritt entschlossen.

Schewtschuk ist mit Benedikt XVI., der ihn 2009 zum Weihbischof der ukrainischen griechisch-katholischen Eparchie Santa Maria del Patrocinio in Buenos Aires ernannt hatte, bis heute sehr verbunden (in Buenos Aires lernte der junge Weihbischof Papst Franziskus kennen, der damals Erzbischof der argentinischen Hauptstadt war). Benedikt XVI. war es dann auch, der am 25. März 2011 die Wahl Schewtschuks zum Großerzbischof von Kiew und Halytsch bestätigte.

Zum Abschluss der Visite überreichte der Großerzbischof das neuererschienene Interviewbuch „Dimmi la verita‘“ (Sag mir die Wahrheit), in dem Schewtschuk dem Leiter des Pastoralinstituts „Redemptor Hominis“ der Lateran-Universität, don Paolo Asolan, Rede und Antwort steht. In dem Buch erzählt der Großerzbischof nicht nur seine persönliche Glaubens- und Berufungsgeschichte, sondern auch die Geschichte der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche seit Beginn des 20. Jahrhunderts.

 

„Nächstenliebe und Demokratie“

Zeitgleich mit dem Rom-Besuch des Großerzbischofs wurde ein Artikel des ukrainischen Außenministers Pawlo Klimkin verbreitet, in dem dieser die von Konstantinopel verkündete Autokephalie für die neugegründete „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ als „historisches Ereignis“ würdigte. Als „überzeugter Christ“ müsse er sagen, dass das Christentum dem ukrainischen Volk das Heil gebracht habe. Durch die „Taufe der Rus“ habe die Ukraine viel vom Christentum empfangen, aber auch viel gegeben, u.a. durch den Widerstand gegen die mongolische Invasion.

Besonders hob Klimkin die Bedeutung der „Union von Brest“ von 1596 in der polnisch-litauischen Doppelrepublik hervor. Es handle sich nach seiner Überzeugung um den „einzigen gelungenen Versuch“ der Überwindung der Spaltung von Katholiken und Orthodoxen und der Herbeiführung der Versöhnung zwischen ihnen. Auch wenn es sich nur um einen regionalen Erfolg gehandelt habe, sei es für die Ukrainer wichtig, dass dieses Ereignis auf ihrem Boden stattfand. Heute spiele die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine eine erstrangige Rolle bei der „spirituellen und nationalen Wiedergeburt“ des Landes und seiner „Rückkehr in den Schoß der europäischen Kultur“.

Der Außenminister hob die Bedeutung der religiös-spirituellen Faktoren für den Erfolg Europas „und der ganzen westlichen Zivilisation“ in den letzten tausend Jahren hervor. Leider gebe es heute eine breitgestreute Operation zur Schwächung und Zersetzung dieser Faktoren. Es sei die gemeinsame Aufgabe, die religiös-spirituellen Faktoren zu schützen.

Abschließend leistete Klimkin einen Lippendienst im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Russland und stellte fest: „Europa ist eine Kombination von christlicher Nächstenliebe und Demokratie. Im orthodoxen Russland ist die christlichen Nächstenliebe proklamiert, aber es hat dort nie die Werte von Freiheit, Demokratie, Offenheit und Toleranz gegeben. Deshalb ist Russland trotz aller Ähnlichkeiten nicht Europa“.